Stellungnahme der ÖPUK zum Entwurf eines Bundesgesetzes über das Institute of Digital Sciences Austria (alias: I:TU)

Allgemeine Vorbemerkung:

Die ÖPUK erneuert ihre bereits im Mai 2023 im Zuge der Begutachtung des „Bundesgesetzes über die Gründung der interdisziplinären Technischen Universität für Digitalisierung und digitale Transforma­tion“ geäußerte Kritik an der gesetzlichen Mischform der I:TU zwischen öffentlich- und privatrecht­licher Hochschule. So wird die Rechtsbeziehung zwischen Studierenden und Hochschule einerseits als „privatrechtlicher Natur“ (§ 5 Abs. 1) normiert, Rechtsaufsicht (§ 7) und Finanzierung (§§ 14 f) sind aber andererseits öffentlich-rechtlicher Natur, auch die Verleihung und der Widerruf akademischer Grade sowie die Nostrifizierung erfolgen hoheitlich (§ 9 Abs. 1).

Dieses Vorhaben führt bestehende rechtliche Grundlagen, wie sie in den Sektoren vorhanden sind, völlig ad absurdum. Die ÖPUK fordert daher weiterhin, dass die zu gründende Universität, wenn sie schon nicht – und weitaus sinnvoller – als Fakultät in eine bestehende Universität eingegliedert wird, entweder nach UG oder PrivHG konstituiert ist.

Gesetzliche Mischform

Dem Entwurf ist kaum Positives abzugewinnen. De facto setzt sich die Republik Österreich mit dem geplanten Vorhaben auf autoritäre Weise in direkte und unlautere Konkurrenz zu allen bestehenden österreichischen Hochschulsektoren, ohne eine Erklärung – geschweige denn eine an objektiven Kriterien überprüfbare Begründung – abzugeben, warum die vorgegebe­nen Ziele nicht im Rahmen jenes hochdifferenzierten Gesetzesrahmens erreichbar seien, der über die vergangenen Jahrzehnte hinweg für alle Hochschulen in Österreich entwickelt wurde und gültig ist. Während sich sowohl staatliche als auch private Hochschulen in Österreich nur innerhalb enger gesetzlicher Rahmenbedingungen bewegen können, soll es der I:TU unver­hohlen gestattet werden, sich über den bestehenden Gesetzesrahmen hinwegzusetzen. Die Mittel zur Erreichung der vorgegebenen Zielsetzung sind nicht nur aus juristischer Perspektive unverhältnismäßig, aus Sicht des Rechnungshofs bedenklich, sondern insbesondere auch demokratiepolitisch alarmierend.

Bereits im Mai 2022 sprachen sich sämtliche österreichischen Hochschulen unisono gegen die Einrichtung außerhalb des Gesetzesrahmens aus. In Reaktion darauf wird das Vorhaben der Gelegenheitsgesetzgebung im aktuellen Entwurf von Dezember 2023 nun zum fait accompli erklärt.

Die AutorInnen erachten offenbar nicht einmal den Zweck der Neugründung für weiter erklärungs­bedürftig. Dabei gibt es bereits heute wesentlich mehr Studienplätze im bundes­finanzierten MINT-Bereich als Nachfrage, ein wesentlicher Grund, weshalb es nur wenige technische Studien an österreichischen Privatuniversitäten und Privathochschulen gibt.

Fehlende Zielgruppendefinition

Wie bereits in unserer Stellungnahme zum Bundesgesetz über die Gründung der inter­disziplinären Technischen Universität für Digitalisierung und digitale Transformation angemerkt, mangelt es dem nun vorliegenden Entwurf weiterhin an einer Definition einer Ziel­gruppe, an die sich das Studienangebot richten soll. Wird die Universität überwiegend inländische oder ausländische Studierende rekrutieren? Wird das Studienangebot in Deutsch oder in Englisch angeboten? Werden sich die Studieninhalte (z.B. in kulturellen und rechtlichen Fragen) an nationalen oder internationalen Themen und Fragestellungen orientieren?

Die Errichtung einer zusätzlichen großen Hochschule aus Mitteln des österreichischen Steuer­zahlers ohne klare Zielgruppendefinition ist grob fahrlässig. Der vorliegende Entwurf lässt außerdem eine klare Abgrenzung zu den Angeboten bestehender Hochschuleinrichtungen vermissen. Es ist ersichtlich, dass die genannten Erfordernisse bereits an den bestehenden exzellenten technischen Universitäten und Fachhochschulen erfüllt werden bzw. erfüllt werden können. Aus Sicht der ÖPUK fehlt daher weiterhin die Argumentation für die Einrichtung einer zusätzlichen Universität. Die Gründung einer weiteren Fakultät für Digitali­sierung und Transformation der Digitalisierung wäre nicht nur naheliegender, sondern auch wirtschaftlich effizienter und sinnvoller.

Wettbewerbsverzerrung

Der vorliegende Entwurf der Gesetzgebung für die geplante Universität ist wettbewerbs­verzerrend und wird insbesondere auch aus diesem Grund abgelehnt. Der Gesetzestext ist ein „Mischmasch” zwischen Anforderungen und Möglichkeiten an öffentlich-rechtlichen Universi­tä­ten und privaten Universitäten und Hochschulen. Zusätzlich gibt es Regelungen, die den grundlegendsten Prinzipien der akademischen Selbstverwaltung widersprechen, den Qualitäts­anforderungen der österreichischen Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung (AQ Austria) nicht standhalten würden und unter dem UG gesetzeswidrig wären. Noch anlässlich des 20-Jahr-Jubiläums des UG im vergangenen Jahr wurden seitens des BMBWF die Vorzüge des UG geradezu hymnisch gelobt; der hier zu kommentierende Gesetzesentwurf macht jedoch diese Aussagen unglaubwürdig.

Es ist schier unmöglich alle Probleme des vorliegenden Gesetzesentwurfs im Detail zu benennen. Es kann auch nicht die Aufgabe der ÖPUK sein, ihn in allen Facetten zu kommen­tieren; wir gehen hier folglich beispielhaft auf die aus unserer Sicht wesentlichsten Probleme ein:

Zu § 4 (4) Die Universität ist berechtigt, Studiengebühren einzuheben. Diese Beiträge müssen sozial verträglich gestaltet sein, dürfen kein unzumutbares Hindernis für den Zugang zur universitären Bildung darstellen.

Offensichtlich soll die Höhe der Studiengebühr in die Autonomie der Universität fallen. Dies ist ein Bruch mit dem Prinzip des freien Hochschulzugangs an öffentlichen Universitäten und Fachhochschulen in Österreich und außerdem eine Wettbewerbsverzerrung gegenüber den österreichischen Privatuniversitäten und Privathochschulen, die keine Bundesfinanzierung erhalten. Wie Studiengebühren „sozial verträglich” gestaltet werden sollen, bleibt offen. Es muss bezweifelt werden, dass Studiengebühren, selbst wenn sie sozial gestaffelt sind, zu einer großen inländischen Nachfrage führen werden.

Zu § 6 Qualitätssicherung: § 6 Abs. 1 normiert zwar eine Verpflichtung der I:TU, sich in regelmäßigen Abständen einem (externen) Qualitätssicherungsverfahren zu unterziehen, jedoch bleibt diese Bestimmung viel zu vage. Nur aus den Erläuterungen ergibt sich, dass der Gesetzgeber hier „in erster Linie“ an Audits dachte. Aus Sicht der ÖPUK ist es jedenfalls erforderlich, das Verfahren, das Intervall und die Zuständigkeit darüber klar zu regeln (selbes gilt für die externe Qualitätssicherung der Curricula in Abs. 2).

Gleichzeitig darf die ÖPUK in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass ihre bisherigen Forderungen, sich selbst eine Qualitätssicherungsagentur für die Durchführung der gesetzlich vorgesehenen Erneuerung ihrer Akkreditierungen zu wählen, bisher nicht erfüllt wurden. Die Möglichkeit der I:TU, die Qualitätssicherungsagentur frei zu wählen, benachteiligt daher deutlich die bestehenden Privathochschulen und -universitäten, denen dieses Recht (weiterhin) nicht eingeräumt wird. 

Zu § 8 Leitung und innere Organisation: Die obersten Organe in § 8 entsprechen nur anscheinend jenen des UG, heben sich insbesondere durch ihre gewählten Bezeichnungen und Aufgaben von den öffentlichen Universitäten ab (RektorIn vs. PräsidentIn, Universitätsrat vs. Kuratorium, Senat vs. Universitätsversammlung).

Im Sinne einer Einheitlichkeit der universitären Bezeichnungen empfiehlt die ÖPUK, sich an den gängigen Bezeichnungen des UG zu orientieren. Handelt es sich bei diesen neuen Bezeichnungen um „sonstige Bezeichnungen und Titel des Universitätswesens“ iSd § 5 Abs. 3 PrivHG und sind die Privatuniversitäten und -hochschulen damit künftig auch berechtigt, ihre Organe nach den Bezeichnungen der I:TU umzubenennen?

Die Universitätsversammlung ist offensichtlich das zentrale Selbstverwaltungsorgan der Hochschule und muss lt. Handreichung der AQ Austria zur Auslegung des § 14 Abs 5 lit b PU-AkkVO: Organisationsstruktur an Privatuniversitäten  (zuletzt abgerufen am 02/01/2024) das Recht besitzen, bei Entscheidungen des Rechtsträgers, die die Sicherung der akademischen Belange der Hochschule betreffen, gestaltend mitzuwirken. Dem Organ der akademischen Selbstverwaltung (an öffentlich-rechtlichen Universitäten der Senat) obliegen Zuständigkeiten und Mitwirkungsrechte in allen akademischen Belangen und der inhaltlichen Gestaltung von Forschung und Lehre, sowie insbesondere bei der Bestellung der universitären Organe (siehe auch Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 17.101). Sämtliche Aufgaben, die nach Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes und auf Grund der Handreichung der AQ Austria zur Organisationsstruktur an Privatuniversitäten und Privathochschulen dem Organ der akademischen Selbstverwaltung zukommen sollten (z.B. Erfassung und Änderung der Satzung in akademi­schen Belange; Zustimmung zum Entwicklungs- und Organisationsplan sofern akademische Belange betroffen sind; Mitwirkung an Berufungsverfahren und Erlassung von Habilitations­ordnungen; Erlassung und Änderung der Curricula, Festlegung von akademischen Graden und akademischen Ehrungen), werden in dem vorliegenden Entwurf ausschließlich von Kuratorium oder Präsidentin/en entschieden. Dies ist nicht nur in Bezug auf die bisherige Rechtsprechung bedenklich, es stellt sich insbesondere auch die Frage, warum die Akkreditierungs­vorschriften von Privatuniversitäten und Privathochschulen sich so sehr an den Bestimmungen für öffentlich-rechtliche Universitäten orientieren müssen, wenn diese für die geplante Universität nicht vorgesehen sind?  

Zu § 9 Präsidentin oder Präsident: In Abs. 3 ist eine einmalige Wiederbestellung ohne neuerliche Ausschreibung vorgesehen. Gilt hier das Bundesgesetz über Transparenz bei der Stellen­besetzung im staatsnahen Unternehmensbereich (Stellenbesetzungsgesetz) nicht?

Die Wendung „auch ohne neuerliche Ausschreibungen“ in Abs. 4 impliziert eine Aus­schreibungs­­verpflichtung für die erstmalige Bestellung der StellvertreterInnen, die aber – soweit ersichtlich – nicht in dieser Form vorgesehen ist.

In den Erläuterungen (Seite 7, Zeile 28) wird ausdrücklich klargestellt, dass die Präsidentin oder der Präsident bestellt – und nicht wie im UG gewählt – wird. „Damit handelt es sich bei der Bestellung der Präsidentin oder des Präsidenten um einen Beschluss des Kuratoriums“ (Zeile 29). Im Widerspruch dazu steht in den Erläuterungen, dass bis zum Ablauf des 30. Juni 2027 die Präsidentin oder der Präsident gewählt werden muss (Seite 8, Zeile 5).

§ 10 Kuratorium: „(2) Überdies kann das Kuratorium nach Anhörung der Präsidentin oder des Präsidenten eine zusätzliche Bezeichnung sowie allenfalls eine abgekürzte Form des Namens für das Institute of Digital Sciences Austria festlegen, die auf Schwerpunktsetzung und Profilbildung hinweist und in der Außendarstellung verwendet werden kann.“

Die Möglichkeit, sich selbst eine zusätzliche Bezeichnung und eine abgekürzte Form des Namens geben zu dürfen, haben weder die öffentlichen noch die privaten Hochschulen derzeit. Während sich die Namen der Universitäten aus § 6 UG ergeben, sind Privathoch­schulen und -universitäten an die von der AQ Austria akkreditierte Form des Namens gebunden. Die für die I:TU vorgesehene Regelung stellt eine direkte Benachteiligung aller anderen österreichischen Hochschulen dar.

Zu § 11 Universitätsversammlung: Der Begriff „Universitätsversammlung“ hat mit der im früheren UG definierten Universitätsversammlung (§ 60 leg.cit.) als Versammlung aller Universi­täts­angehöriger nichts zu tun und sollte daher vermieden werden.

Wie bereits oben ausgeführt, sprechen gute Argumente dafür, akademische Gremien mit ähnlichen Aufgaben auch sektorenübergreifend ähnlich oder gleich zu benennen. Unter dieser generellen Prämisse erfolgten jedenfalls viele institutionelle Akkreditierungen und Reakkreditierungen von Privat­universitäten in den letzten Jahren (unter Verweis auf § 5 Abs. 3 PrivHG). Im Übrigen verweisen wir auf den zuvor bereits erwähnten Mangel an Mitbe­stimmungs- und Entscheidungsrechten der Universitätsversammlung. Insbesondere die Erlas­sung und Änderung der Curricula und Habilitationsvorschriften sind Rechte, die üblicherweise dem Organ der akademischen Selbstver­waltung vorbehalten sind.

Zu § 12 Verwaltungsdirektorin oder Verwaltungsdirektor: Mit Inkrafttreten des UG 2002 wagte der Gesetzgeber den Schritt, die Funktion der Universitätsdirektorin/des Universitäts­direktors abzuschaffen und die Zuständigkeiten für Finanz- und Verwaltungsangelegenheiten dem Rektorat zu überlassen, welches diese Aufgaben wiederum in einer Geschäftsordnung innerhalb des Teams verteilt.

Es erscheint nicht einsichtig, weshalb der Gesetzgeber hier von den seit 20 Jahren bewährten Managementkonzepten des UG abgeht und damit (wieder) der/dem Präsidentin/ Präsidenten und ihrem/seinem Team administrative Aufgaben entzieht und einer anderen Person außerhalb des „Rektorats“ überträgt. Zusätzlich scheint es bedenklich, dass diese wichtige Funktion – entgegen dem Prinzip der gremialen Führung durch ein auf Zeit bestelltes Rektorat – augenscheinlich ein zeitlich unbefristetes Angestelltenverhältnis sein soll.

Zu § 22 Personal: Im Unterschied zum UG soll der Kollektivvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Universitäten (KV) an der I:TU nicht zur Anwendung kommen. Den Erläuterungen zufolge soll dies „der Universität abseits von den Regelungen des KV eine flexiblere Personalbewirtschaftung“ ermöglichen und „der Erprobung von neuen Modellen im Bereich des Personalwesens“ dienen.

Bemerkenswert ist, dass auch die Kettenvertragsregelung des § 109 UG keinen Eingang in das Gesetz gefunden hat. Dies wird es der neuen I:TU (wie auch den bestehenden Privathoch­schulen und -universitäten) erschweren, im Wettbewerb mit öffent­lichen Universitäten bei der Personalakquisition zu reüssieren sowie in Lehre und Forschung Agilität zu bewahren. Nachdem die I:TU deutliche Aspekte einer öffentlichen Universität in ihrer Ausgestaltung trägt, ist nicht ersichtlich, weshalb die dort angestellten Personen nicht dem KV unterstellt werden sollten.

Durch den Ausschluss der Geltung des KVs verstärkt sich einmal mehr der Eindruck eines „Pick and Choose“ der gesetzlichen Regelungen der I:TU im Vergleich mit ihren direkten inner­staatlichen KonkurrentInnen.

Zu § 29 Rechtsschutz: Das Rechtsschutzmodell ist jenem des § 79 Abs. 1 UG nachgebildet – jedoch mit dem wichtigen Unterschied, dass es sich bei der Entscheidung der Präsidentin bzw. des Präsidenten offensichtlich um keinen Bescheid handeln soll. Die Studierenden sind daher auf den Zivilrechtsweg angewiesen, um ihre Rechte entsprechend zu verfolgen. Dies erscheint für eine überwiegend „öffentlich“ ausgestaltete Universität nicht angemessen.

Der vorliegende Entwurf zur Gründung einer eigenständigen Universität „Institute of Digital Sciences Austria” führt bestehende rechtliche Grundlagen, wie sie in den Sektoren vorhanden sind, völlig ad absurdum. Die Gründung eines eigenen Bundesgesetzes für die Donau Universität Krems (DUK) im Jahr 1994, hat bereits in der Vergangenheit zu großen Wettbe­werbs­verzer­rungen und fragwürdigen (unterschiedlichen) Behandlung bei der hoch­schulischen Qualitäts­sicherung geführt. Die ÖPUK fordert daher, wie auch im Zusammenhang mit dem DUK-Gesetz, dass die geplante Universität, wenn sie schon nicht – und weitaus sinnvoller – als Fakultät in eine bestehende Universität eingegliedert wird, entweder nach UG oder PrivHG konstituiert wird. Für den Fall, dass die geplante Universität sich doch noch als landesfinanzierte Privathochschule konstituiert, ist die ÖPUK bereit sich mit ihrer Expertise marktwirtschaftlich betriebener Hochschulen in den Gründungskonvent einzubringen.

Diese Stellungnahme wird auch dem Präsidium des Nationalrates zur Verfügung gestellt.