Mit einem Festakt erfolgte am 25. Oktober 2017, am Vortrag des zehnjährigen Jubiläums der Seligsprechung von Franz Jägerstätter an der Katholischen Privat-Universität Linz die Gründung des Franz und Franziska Jägerstätter Instituts. Das Forschungsinstitut soll in den nächsten zehn Jahren die bisher geleistete Arbeit wissenschaftlich weiterführen, die Biographie und das Selbstverständnis von Franz und Franziska Jägerstätter vertiefend erfassen sowie ihr Lebenszeugnis in pädagogische, akademische und gesellschaftspolitische Konzepte der Gedenkarbeit einbringen. Weitere Schwerpunkte sind die Erforschung der noch nicht bekannten Zeugen des Widerstands, die Friedensarbeit und die theologisch-ethische Diskussion von Zivilcourage und Gewissensentscheidungen. Rektor Franz Gruber begrüßte zahlreiche Gäste aus Kirche und Politik sowie dem Umfeld Franz Jägerstätters, darunter dessen Tochter Maria Dammer, die Bischöfe Manfred Scheuer und Maximilian Aichern, die Publizistin und Jägerstätter-Biografin Ehrendoktorin Erna Putz, den Bürgermeister von St. Radegund Simon Sigl sowie den Linzer Vizebürgermeister Bernhard Baier, stellvertretend für die Superiorenkonferenz Abt Berthold Heigl und Abt Reinhold Dessl sowie die Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats des Jägerstätter Instituts.
Die Geschichte von Franz und Franziska Jägerstätter blieb in ihrer Bedeutung für die politische und kirchliche Öffentlichkeit jahrzehntelang unerkannt. Angestoßen durch den Film „Der Fall Jägerstätter“ von Axel Corti setzte in den 1970er Jahren eine Kontroverse um das Thema ein. Mit ihren Forschungen und Publikationen ist es insbesondere auch Erna Putz zu verdanken, dass sie Franz Jägerstätter zur öffentlichen Erinnerung verholfen hat. Mit dem Seligsprechungsprozess unter Bischof Maximilian Aichern, Bischof Ludwig Schwarz und Bischof Manfred Scheuer, der als diözesaner Postulator fungierte, erhielten Franz Jägerstätter und seine Familie ein ihrem Lebenszeugnis gebührendes Gedenken. Die Gründung des Franz und Franziska Jägerstätter Instituts an der Katholischen Privat-Universität Linz am 25. Oktober 2017 durch Magnus Cancellarius Bischof Manfred Scheuer bedeutet einen weiteren Meilenstein.Das durch Drittmittel von Diözese Linz, dem Land Oberösterreich und der Superiorenkonferenz finanzierte Forschungsinstitut, wird auf die Dauer von zehn Jahren an der KU Linz errichtet. Gleichzeitig wurde ein Wissenschaftlicher Beirat berufen. Mit der Bestellung einer wissenschaftlichen Leitung des Instituts sowie eines/einer weiteren wissenschaftlichen Mitarbeiter/s/in soll das Institut 2018 seine Tätigkeit aufnehmen.
Zur Genese Instituts
Franz Jägerstätter wurde aufgrund seiner Weigerung in die deutsche Wehrmacht einzutreten, zum Tod verurteilt und hingerichtet. Von der Kirche 2007 als Märtyrer anerkannt, genießt er gemeinsam mit seiner Frau Franziska, welche ihn in seiner Haltung unterstützt hat und später die Folgen seiner Verurteilung zu tragen hatte, hohes Ansehen als zeugnishafte Persönlichkeit im Widerstand gegen alle menschenverachtenden und -vernichtenden Regime. Franziska Jägerstätter hat durch ihren Beitrag das Zeugnis Ihres Gatten Franz bekannt gemacht und dessen Würdigung sowie Verehrung gefördert.Das Franz und Franziska Jägerstätter Institut verdankt sich der Initiative von Prof. Ewald Volgger als Vizerektor für Forschung und Entwicklung. Volgger hatte 2007 die liturgische Verantwortung für die Feier der Seligsprechung überantwortet bekommen. Diese hatte eine intensive Auseinandersetzung einerseits mit dem Zeugnis von Franz Jägerstätter zur Folge, andererseits erwuchsen daraus wertvolle Kontakte vor allem auch mit Franziska Jägerstätter und Jägerstätterbiografin Erna Putz. Als Mitglied des sogenannten Jägerstätter Beirates, den die Diözese Linz zur Pflege der Erinnerungsarbeit und zur Gestaltung der damit verbundenen Anliegen eingerichtet hatte, verfolgte Volgger alsbald eine institutionelle Verankerung der Jägerstätter-Arbeit, die bisher vorwiegend ehrenamtlich geschehen ist. Noch als Rektor schlug er im Jahre 2013 die Errichtung eines entsprechenden Lern- und Gedenkortes mit wissenschaftlichem Charakter an der Katholischen Privat-Universität Linz vor, insbesondere auch zur Sicherung der Jägerstätter-Schriften.
Ziel des Instituts
Mit der Errichtung eines Franz und Franziska Jägerstätter Instituts an der KU Linz ist die Archivierung, wissenschaftliche Edition und Literaturdokumentation der bisher geleisteten und gesammelten Arbeit sowie die Sammlung der internationalen Jägerstätter-Rezeption beabsichtigt. Die Biographie und das Selbstverständnis von Franz und Franziska Jägerstätter soll erforscht werden. Im Rahmen der Franz und Franziska Jägerstätter Gedenkarbeit gilt es Impulse für eine pädagogische und didaktische Umsetzung zu erarbeiten sowie – in Zusammenarbeit mit bereits bestehenden Initiativen, Einrichtungen und wissenschaftlichen Institutionen – Hilfestellung zur Gestaltung von Gedenk- und Lernorten zu leisten.
Als weiteres Anliegen beschreibt Prof. Ewald Volgger die Erforschung ähnlicher und weiterer Zeugnisse im NS-Widerstand sowie in vergleichbaren Situationen. Es gibt eine Vielzahl an Personen, die im Kleinen essentiellen und existenziellen Widerstand geleistet haben, wobei insbesondere auch die vielen Glaubenszeugen in den Ordensgemeinschaften vermehrt in den Blick zu nehmen sind. Von Beginn an „war deutlich, dass ein solches Institut weit über Jägerstätter hinaus zu gehen hat.“ Gewalt, Unterdrückung und menschenverachtende Verfolgung gab und gibt es zu allen Zeiten. „Der Kirche als Nachfolgegemeinschaft Jesu ist es aufgetragen, den Frieden und die Versöhnung im Blick zu haben und je neu anzustreben“, so Volgger, der als Aufgabe des Instituts auch die Erforschung von Ideologiekritik sowie den Beitrag zur Friedensethik und Friedensarbeit im internationalen Kontext formuliert.
Festvortrag: Das Zeugnis von Franz und Franziska Jägerstätter und seine Bedeutung für die Gegenwart
Jozef Niewiadomski, Professor für Dogmatik an der Theologischen Fakultät Innsbruck, suchte in seinem Festvortrag unter dem Titel „Politisches Martyrium. Das Lebenszeugnis von Franz und Franziska Jägerstätter im Kontext aktueller Herausforderungen von Verfolgung und Terror“ das Gemeinsam des Zeugnisses von Franz und Franziska und dessen Bedeutung für die Gegenwart herauszuarbeiten. Unsere Zeit charakterisiert er als eine transzendenzarme, in der sich die Menschen zunehmend als Opfer begreifen und daher verstärkt Gefühle des Ressentiments und auch des Hasses gegenüber anderen pflegen. In einer von Neid und Seitenblicken beherrschten Kultur können diese negativen Stimmungen nur verstärkt aber niemals verwandelt werden. Vor diesem Hintergrund wird das einsame Zeugnis der Verweigerung von Franz Jägerstätter als substantieller Beitrag zur Würde des Gewissens anerkannt. Die mit seinem Martyrium verbundene notwendige Erinnerungskultur kann aber zur Entgiftung der kulturellen Situation beitragen, wenn sie mit dem Aspekt der Heilung verknüpft wird. Niewiadomski weist in diesem Zusammenhang auf den enormen Beitrag von Franziska Jägerstätter, als der ersten glaubwürdigen Zeugin des Martyriums ihres Mannes, hin und spricht sich für deren Seligsprechung aus. In weiter Folge plädierte er für eine gemeinsame Heiligsprechung beider Eheleute, dadurch würde die Kirche den Wert einer jahrelang gelebten Beziehung zur Gestaltung des politischen Lebens auch als Weg der Heiligkeit in der Kirche anerkennen.
Im Bild v.li.n.re.: Jägerstätter-Biografin Mag.a Dr.in Erna Putz, Festredner Univ.-Prof. Dr. Jozef Niewiadomski, Universität Innsbruck, Rektor Univ.-Prof. Dr. Franz Gruber, Maria Dammer, Tochter von Franz und Franziska Jägerstätter, Univ.-Prof. Dr. Ewald Volgger OT