Erhält eine indigene Bevölkerung Landnutzungsrechte, kann sich das positiv auf den Erhalt tropischer Wälder auswirken – doch die Strukturen der Verwaltung, die den verschiedenen Arten solcher Rechte zugrunde liegen, werden wenig verstanden. Jetzt hat der European Research Council der MODUL University Vienna einen Consolidator Grant in der Höhe von 2 Mio. EUR zuerkannt, um dieses Zusammenspiel in einem fünfjährigen Projekt zu analysieren. Die Zuerkennung dieses prestigeträchtigen Grants ist dabei ein signifikanter Beitrag, um die anerkannte Wissenschafts-Expertise des Departments of Public Governance and Sustainable Development im Schnittstellenbereich von nachhaltiger Entwicklung und Verwaltung weiter zu festigen. Die Abholzung tropischer Wälder trägt massiv zum Klimawandel bei und wird hauptsächlich durch die Ausbreitung agrarischer Nutzflächen verursacht. Indigener Bevölkerung Rechte an Land und Gebieten einzuräumen, reduziert erfahrungsgemäß die Abholzung. Doch welche verschiedenen Strukturen der Verwaltung dem konkreten Gewähren solcher Rechte am besten dienen, ist bisher wenig verstanden. Ein Forschungsprojekt an der MODUL University Vienna wird genau das nun untersuchen. Möglich wurde das Projekt dabei durch die Verleihung eines renommierten European Research Council Consolidator Grants. Es ist dabei einer von nur neun, die in dieser Runde in Österreich vergeben wurden – und der einzige im Bereich Sozialwissenschaft.
Selbstbestimmung gegen Abholzung
„513 Millionen Hektar Wald weltweit gehören indigenen Bevölkerungsgruppen oder werden von ihnen eigenverantwortlich bearbeitet. Ihnen und den lokalen Gemeinschaften mehr Rechte für die Land- und Gebietsnutzung einzuräumen, bietet die Chance, Abholzung zu reduzieren“, erläutert der Projektleiter Dr. M. Graziano Ceddia vom Department of Public Governance and Sustainable Development, „dennoch verstehen wir kaum, welche Strukturen der Verwaltung eher bereit sind, indigenen Bevölkerungsgruppen die Kontrolle über ihr Land – und so mehr Selbstbestimmung – zu geben.“ Wie eine erfolgreiche Struktur aussehen mag, untersucht nun das Team im Rahmen des hochdotierten EU-Projekts. Insbesondere interessiert sich das Team um Dr. Ceddia für Player der Verwaltung, die eine gemeinschaftliche Nutzung von Agrarland durch indigene Bevölkerungsgruppen beeinflussen. Fragen, die geklärt werden, betreffen dabei das Zusammenspiel dieser Player mit regionalen und nationalen Entscheidungsträgern sowie die Bereitschaft, Strukturen der Verwaltung im Sinne einer Reduktion von Abholzung zu reformieren.
Bohnen statt Bäume
Gemeinsam mit Kollegen der University of Reading, GB, konzentriert sich das Team auf die Region Chaco im Nordwesten Argentiniens. Die Abholzung erfolgt dort mit einer der höchsten Raten der Welt. Ursächlich dafür ist die Einführung von Sojabohnenkulturen in den 1990er Jahren, eine parallele Welle der Landprivatisierung sowie die Ausbreitung der Viehhaltung. Die Vertreibung indigener Bevölkerungsgruppen und lokaler Dorfgemeinschaften folgten unmittelbar auf diese Entwicklung – obwohl das argentinische Recht die historischen Besitzansprüche indigener Bevölkerungsgruppen eigentlich anerkennt. „In der Realität variiert die Durchsetzung solcher Rechte stark, da es lokal viele verschiedene Verwaltungsstrukturen gibt, die unterschiedlich agieren“, führt Dr. Ceddia aus. Das Projekt wird dabei in zwei größeren Abschnitten durchgeführt: Im ersten Teil werden in der Provinz Salta in der Region Chaco die Entwicklung der Landnutzung sowie die des institutionellen Kontexts mit einer mittleren Auflösung untersucht. Im zweiten Teil des Projekts steht dann die Analyse lokaler Gemeinschaften an. Hier werden die wesentlichen Akteure identifiziert, die im Rahmen der Verwaltung mit bestimmten Formen von Landnutzungsrechten assoziiert sind, und ihre Beziehung zueinander untersucht. Tatsächlich wird das Team dies vor Ort in vier lokalen Gesellschaften untersuchen, die verschiedene Grade an Abholzung und Anerkennung von Rechten repräsentieren. Durch Gespräche, Interviews und Dokumentenauswertungen werden dann die relevanten Entscheidungsträger identifiziert und ihre Handlungen untersucht. Die auf fünf Jahre angelegte Studie wird zahlreiche Ergebnisse bringen, die zum Verständnis beitragen werden, welche Strukturen der Verwaltung speziellen Formen von Landnutzungsrechten zugrunde liegen und welche so zur Reduktion der Abholzung tropischer Wälder beitragen. Der MODUL University Vienna gelingt es mit diesem renommierten Projekt einmal mehr, ihre internationale Position für wissenschaftliche Analysen im Bereich Nachhaltigkeit und Verwaltung zu festigen.