Stellungnahme der Anton Bruckner Privatuniversität (ABPU) zum Entwurf eines Bundesgesetzes mit dem das Universitätsgesetz 2002 – UG, das Hochschulgesetz 2005 – HG, das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz – HS-QSG, das Fachhochschulgesetz – FHG und das Privathochschulgesetz – PrivHG geändert werden sollen

Änderung des Privathochschulgesetzes

Die Anton Bruckner Privatuniversität (ABPU) dankt für die Gelegenheit zur Stellungnahme zur
Änderung des Privathochschulgesetzes und übermittelt diese innerhalb offener Frist wie folgt,
wobei wir uns auf eine einzige – freilich aus unserer Sicht nicht nur wesentliche, sondern in erster
Linie misslungene und hochschulpolitisch fatale – Passage des übermittelten Gesetzesentwurfes
beschränken.

Die übermittelten Erläuterungen zur Gesetzesänderung (S. 20) führen aus, dass § 5 Abs. 1a für
eine „stärkere Unabhängigkeit der Leitungsebenen von privaten Hochschulen, wie sie in der
Satzung der Privathochschule festgelegt sind, von ihren Trägereinrichtungen
“ erforderlich sei.

Abgesehen davon, dass weder diese Aussage für viele der unter das Privathochschulgesetz
fallende Einrichtungen zutrifft noch unserer Ansicht nach eine regulative Änderung notwendig
ist, bleibt der Gesetzgeber auch den erwarteten Beweis schuldig. Vielmehr geben die von der
Abgeordneten Blimlinger mehrfach getätigten öffentlichen Aussagen, so etwa gegenüber der
Tageszeitung „Der Standard“ (Link zum Artikel, abgerufen am 28.01.2024), Indiz dafür,
dass hier einmal mehr nicht nur Anlassgesetzgebung betrieben, sondern in Folge
auch das sprichwörtliche Kind mit dem sprichwörtlichen Bade ausgeschüttet wird.

Die Freiheit der Wissenschaft und Lehre von Einflüssen des Geldgebers war und ist klar
abgesichert (§ 2 Abs. 2 Z 1 und 2 PrivHG). Mit der vorgesehenen Regelung in § 5 Abs. 1a greift der
Gesetzgeber nun direkt in die Organisationsform ein, wodurch die Existenz einer Vielzahl der
bestehenden Privathochschulen und -universitäten in Österreich massiv bedroht wird. Aus
unserer Sicht verletzt diese Änderung aufgrund ihrer weitreichenden Implikationen auch die in
Art 6 StGG sowie in Art 15 und 16 EGC verfassungsgesetzlich garantierte Erwerbsfreiheit.

Die aktuell geltende Akkreditierungsverordnung (PrivH-AkkVO 2021) in § 15 Abs. 3 Z 1
(hinsichtlich der Erstakkreditierung) bzw. § 16 Abs. 3 Z 2 (hinsichtlich der Reakkreditierung) sieht
die Verpflichtung vor, die Interessen des Rechtsträgers bei der Organisation der Privathochschule
entsprechend zu berücksichtigen: „Hierzu besitzt sie ein austariertes System der akademischen
Selbstverwaltung, der Leitung und der strategischen Steuerung bei gleichzeitiger Berücksichtigung
der Interessen des Rechtsträgers.

Durch die in § 5 Abs. 1a beabsichtigte strikte Trennung zwischen wirtschaftlichem Eigentümer
und akademischer Leitung kann die ausreichende Berücksichtigung der Interessen des
Rechtsträgers künftig nicht mehr sichergestellt werden. Wir erkennen keinen sachlichen Grund,
von den bisherigen Regelungen so drastisch abzugehen.

§ 5 Abs. 2 Z 2 umfasst alle Organe einer Privathochschule und Privatuniversität, wie es einer
Universität geziemt, das heißt neben dem Rektor oder der Rektorin beziehungsweise dem
Rektorat (Leitung) den Universitätsrat (das Organ zur strategischen Steuerung) sowie den Senat
(das Organ der akademischen Selbstbestimmung). Bis zum 31. Dezember 2019 galt laut
Handreichung zur Auslegung des § 14 Abs 5 lit b PU-AkkVO: Organisationsstruktur an
Privatuniversitäten, dass die Hälfte der Mitglieder des Universitätsrats von der
Gesellschafterversammlung entsandt werden durfte. Entscheidungen, die wirtschaftliche oder
strategische Interessen der Universität berührten, bedurften sogar der zusätzlichen Mehrheit der
vom Rechtsträger entsandten Mitglieder (Art. 2.2, S. 5, Handreichung zur Auslegung des § 14 Abs
5 lit b PU-AkkVO: Organisationsstruktur an Privatuniversitäten).

So wie auch der Staat als Eigentümer Funktionsträgerinnen und Funktionsträger in den
Universitätsrat der öffentlich-rechtlichen Universitäten entsendet (§ 21 Abs. 6 Z 2 UG: von der
Bundesregierung auf Vorschlag der Bundesministerin/des Bundesministers entsendete
Ratsmitglieder), muss im Falle der Anton Bruckner Privatuniversität, die (gleich den öffentlichrechtlichen Universitäten) zu über 90% aus Steuergeld finanziert wird, das Land Oberösterreich als Träger auch weiterhin die Möglichkeit haben, das öffentliche Interesse im Universitätsrat zu vertreten. Allfällige Unvereinbarkeiten zwischen einer Funktion im Universitätsrat und anderen Tätigkeiten an einer Privathochschule bzw. -universität sollten sich auf die in § 21 Abs. 5 UG genannten Konstellationen beschränken.

Für andere, ebenfalls zur Gänze oder mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand befindliche
Privathochschulen (Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien, Gustav Mahler
Privatuniversität, Stella Privathochschule für Musik Vorarlberg, Joseph Haydn Privathochschule,
UMIT) gilt dies analog, wobei sich bei manchen dieser Institutionen durch die verknappte
Pauschalierung des gegenständlichen Gesetzesentwurfs auch die Organisationsform als
Verhängnis erweist: In jenen Fällen, wo die Trägereinheit eine (wenngleich zu 100% im Eigentum
der öffentlichen Hand befindliche) Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist, deren
Geschäftsführer*in zugleich das Amt des Rektors oder der Rektorin ausübt, wäre die
Universitätsleitung damit nicht mehr im handelsrechtlichen Sinne vertretungsbefugt und somit
praktisch zahnlos, da sie immer darauf angewiesen wäre, dass ihre Entscheidungen durch die
Geschäftsführung der Trägergesellschaft (für deren Geschäftsführung dann unnötig zusätzliches
Steuergeld verwendet werden müsste) umgesetzt werden.

Es steht im Ergebnis zu befürchten, dass das finanzielle Engagement der Gebietskörperschaften,
der Diözese, der Kammern, Universitäten und sonstiger öffentlich-rechtlicher Träger aufgrund
dieser Änderung deutlich zurückgehen, wenn diese Geldgeber jegliche Steuerung über ihre
Bildungseinrichtungen verlieren. Dies kann nicht im Interesse des BMBWF, des Gesetzgebers oder
gar der Öffentlichkeit sein.

Während wir anerkennen, dass dem Wunsch des Gesetzgebers, akkreditierte
Bildungseinrichtungen möglichst frei von wirtschaftlichen Eigeninteressen von deren leitenden
Organen zu halten, Rechnung zu tragen ist, muss aufgrund der beschriebenen Kollateralschäden,
die die vorgeschlagene Formulierung in ihrer derzeitigen Form verursacht, eine klarere Regelung
gefunden werden.

Wir fordern daher, § 5 Abs 1 (a) abzuändern:

  • Änderung 1: Der Zusatz „und Funktionsträgerinnen und Funktionsträger“ wird ersatzlos gestrichen. Dies muss geschehen, um die Entsendung der Gebietskörperschaften in die Universitätsräte nicht zu gefährden.
  • Änderung 2: Es ist klarzustellen, dass handelsrechtliche Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer nach § 15 GmbHG keine Funktionsträgerinnen und Funktionsträger der Trägereinrichtung sind.
  • Alternativvorschlag zur Kombination aus Änderungen 1 und 2: Es wäre möglich, einen Zusatz zu formulieren, der Gebietskörperschaften (oder im Eigentum von Gebietskörperschaften befindliche Gesellschaften mit beschränkter Haftung) als Trägereinrichtungen von dieser Regelung ausgenommen sind. Dieser könnte als § 5 (1c) lauten:
    (1c) § 5 (1a) und § 5 (1b) kommen nicht zur Anwendung, wenn die Trägereinrichtung der Bildungseinrichtung eine Gebietskörperschaft oder eine im vollständigen oder überwiegenden Eigentum einer Gebietskörperschaft stehende Gesellschaft ist.


Wenn der Gesetzgeber verhindern möchte, dass die Eigentümer über eine subsidiäre Gesellschaft
direkten Einfluss auf die Universitätsleitung nehmen, dann soll alternativ auch folgende
Ergänzung vorgenommen werden: „Personen mit wirtschaftlicher Beteiligung an der
Trägereinrichtung sowie Funktionsträgerinnen und Funktionsträger einer anderen Gesellschaft,
die eine Beteilung an der Trägereinrichtung der Universität besitzt, dürfen nicht gleichzeitig
Funktionen als Organe in der Universitätsleitung und dem Universitätssenat der
Bildungseinrichtung gemäß Abs. 2 Z 2 ausüben.“

Änderung des Universitätsgesetzes 2002

Die Anton Bruckner Privatuniversität (ABPU) dankt für die Gelegenheit zur Stellungnahme zur
Änderung des Universitätsgesetzes 2002 (darin: mögliche Verkürzung des BA-Studiums
Lehramt aus dem Unterrichtsfach Musik von vier auf drei Jahre) und übermittelt diese innerhalb
offener Frist wie folgt.

Inhaltsverzeichnis

  1. Allgemeine Informationen zum Lehramtsstudium Musik an der Anton Bruckner
    Privatuniversität Oberösterreich
  2. Anforderungen an professionelle und souveräne Musikpädagog*innen an den Sekundarstufen
    2.1 Abdeckung des Unterrichtsfachs Musik und Mitgestaltung des Schulprofils
    2.2 Individuelle künstlerische Persönlichkeit
    2.3 Musikalische und kreative Allrounder*innen
    2.4 Fundiertes Wissen über Musik für Vermittlung und Anwendung
    2.5 Persönlichkeitsentwicklung in unterschiedlichen Bereichen
    2.6 Digitalisierung in Pädagogik und Musik
    2.7 Diversität an Aufgabenstellungen
    2.8 Fazit

    3. Spezifische Voraussetzungen für das Lehramtsstudium Musik Sekundarstufe und mangelnde Chancengleichheit bei der musical literacy im Sekundarbereich
    3.1 Umfangreiche Voraussetzungen für das Studium
    3.2 Mangelndes musikalisches Vorwissen und Aufbauarbeit in einzelnen Bereichen
    3.3 Unzureichende musical literacy im Sekundarbereich
    3.4 Fehlende Chancengleichheit in der Musikausbildung als Status Quo
    3.5 Musikalische Hochschulreife als Resultat exklusiver und nicht allgemein zugänglicher Förderprogramme
    3.6 Fazit

    1. Allgemeine Informationen zum Lehramtsstudium Musik an der ABPU

    Die Anton Bruckner Privatuniversität (ABPU) bietet seit dem Studienjahr 2016/17 im Verbund Cluster Mitte das berufsvorbildende BA-Studium für das Lehramt Musik an Sekundarstufen an. Durch die enge Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich und der Privaten Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz steht den Studierenden ein vielfältiges Angebot an Künstlerischen (Haupt-)fächern, musikpädagogischen und didaktischen Lehrveranstaltungen sowie musiktheoretischen, künstlerisch-praktischen und wissenschaftlichen Lehrangeboten zur Verfügung. Das BA-Studium ist auf vier Jahre ausgelegt. Weitere Informationen zum Curriculum finden sich hier: https://www.bruckneruni.at/de/studium/lehramtsstudium-sekundarstufe. Der weitere Ausbau des Lehramtsstudiums Musik erfolgte im Studienjahr 2019/20 durch die Implementierung des MA-Studiums für das Lehramt Musik Sekundarstufe. Studienbewerber*innen müssen vor dem BA-Studium eine Zulassungsprüfung ablegen, die gemeinsam mit einem weiteren universitären Partner im Verbund Cluster Mitte, der Universität Mozarteum Salzburg, abgehalten wird. Die Universität Mozarteum Salzburg führt die Zulassungsprüfungen durch, und Lehrende der ABPU sind in den Prüfungskommissionen eingebunden. Weitere Informationen zu den künstlerischen kommissionellen Prüfungen (Zulassungsprüfung, Feedbackprüfung nach vier Semestern und Kommissionelle Prüfung im Künstlerischen Hauptfach nach acht Semestern) sind hier abrufbar: https://www.bruckneruni.at/fileadmin/user_upload/02_Studienbuero/Aufnahmebedingungen/ Allgemein/Leitfaden_ME_IME_CLUSTER_MITTE_NEU_Maerz_2021_final.pdf. An der ABPU werden im Rahmen dieser Kooperationen im Verbund Cluster Mitte eine Reihe von künstlerischen Hauptfächern, musiktheoretischen Lehrveranstaltungen und pädagogischen Seminaren angeboten. https://www.bruckneruni.at/fileadmin/user_upload/02_Studienbuero/Studienplaene_auslaufend/Lehramt_Sekundarstufe/BEd_2019_final.pdf (Unterrichtsfach Musikerziehung ab Seite 391).

    2. Anforderungen an professionelle und souveräne Musikpädagog*innen an den Sekundarstufen

    2.1. Abdeckung des Unterrichtsfachs Musik und Mitgestaltung des Schulprofils

    In der Sekundarstufe I und II decken Absolvent*innen des Lehramtsstudiums Musik das Unterrichtsfach Musik gemäß Lehrinhalten und Lehrplan in seiner vollständigen Breite eigenständig ab. Darüber hinaus hängt das musikalische Portfolio von Bildungseinrichtungen, welches oftmals für das Schulprofil eine wesentliche Rolle spielt, von der Vielfältigkeit und künstlerischen Persönlichkeit der jeweiligen Musikpädagog*innen ab: Chorgesang, Schulmusicals bzw. Musiktheaterprojekte, Schulorchester, Bigbands, Schulbands, Volksmusik, Blasmusik, Orff-Ensembles, Tanz, inklusive und interkulturelle Musikprojekte und vieles mehr können – je nach Größe des Schulstandortes – oft nur von wenigen Personen angeboten und pädagogisch abgedeckt werden.

    2.2. Individuelle künstlerische Persönlichkeit

    Die Herausbildung eines professionsorientierten Rollenverständnisses unter Entwicklung der dafür notwendigen künstlerischen, pädagogischen, schulpraktischen, didaktischen, musikalisch-praktischen, musiktheoretischen, wissenschaftlichen und sozialen Kompetenzen verlangt ein umfangreiches BA-Studium, das berufsvorbildend und die Voraussetzung für das folgende MA-Studium ist, aber gleichzeitig genug Möglichkeiten zur Entwicklung der künstlerischen Fertigkeiten bietet, die ihrerseits Basis für eine künstlerische Persönlichkeit sind. Die Entwicklung der individuellen künstlerischen Persönlichkeit wird dabei als essenziell verstanden und ist nicht nur eine Voraussetzung für den Unterricht im Unterrichtsfach Musik, sondern darüber hinaus notwendig für jene musikalischen Wahl- und Freifächer bzw. schulischen Projekte und Veranstaltungen, die wesentlich zur Entwicklung eines Schulprofils beitragen.

    2.3. Musikalische und kreative Allrounder*innen

    Das bedeutet, dass Absolvent*innen des Lehramtsstudiums Musik über hervorragende und vielfältige künstlerische, fachdidaktische und musikalisch-praktische Kompetenzen verfügen müssen, um den unterschiedlichsten Bedürfnissen ihrer Schulgemeinschaft (auch über den eigentlichen Kernunterricht im Unterrichtsfach Musik hinaus) gewachsen zu sein und prägend auch im Bereich der Schulentwicklung sein zu können. Dafür müssen sie musikalische und kreative Allrounder*innen sein, die nicht nur zwischen den Genres, sondern auch künstlerischen Tätigkeiten, Rollen, Herausforderungen und Besetzungen hin und her wechseln können.

    2.4 Fundiertes Wissen über Musik für Vermittlung und Anwendung

    Weiters müssen Musikpädagog*innen über fundierte (musik-)theoretische und fachwissenschaftliche Kompetenzen verfügen, die die Bereiche Tonsatz, Gehörbildung, Allgemeine Musiklehre sowie Musikgeschichte und allgemeine musikwissenschaftliche Kompetenzen umfassen. Im Studium kommt diesen Bereichen neben der Ausbildung der künstlerischen und musikalisch-praktischen Fähigkeiten deswegen ein hoher Stellenwert zu, weil sie das Rüstzeug zum Verständnis der Musik liefern, ohne welches eine adäquate Vermittlung im Unterricht niemals möglich wäre. Gleichzeitig bringt es die Berufspraxis an Sekundarstufen mit sich, dass man theoretische Kompetenzen nicht nur für das Unterrichtsfach Musik aufbereiten muss, sondern in künstlerischem und pädagogischem Kontext auch selbst souverän anwenden soll. Von Musikpädagog*innen wird oftmals verlangt, dass sie entsprechend der Möglichkeiten an ihrem Schulstandort auch über Fähigkeiten verfügen, bedarfsorientierte Arrangements für ihre Schüler*innen zu erstellen oder Musikstücke entsprechend zu vereinfachen.

    2.5 Persönlichkeitsentwicklung in unterschiedlichen Bereichen

    Zusätzlich sollten Musikpädagog*innen über vielfältige fachdidaktische, allgemeinpädagogische, bildungswissenschaftliche, soziale und organisatorische Kompetenzen verfügen, und all dies zusammen sollte letztlich auch die jeweils individuelle Persönlichkeitsbildung der zukünftigen Musikpädagog*innen insgesamt betreffen. Das Spektrum reicht von Führungsqualitäten, die man beispielsweise für die Leitung von verschiedenen Ensembles und Projekten benötigt, über eine empathische und ermunternde Grundhaltung, die alle Schüler*innen unabhängig von deren musikalischem Vorwissen in einem Klassen- oder Schulverband gleichermaßen motiviert, mit Freude gemeinsam zu musizieren, sowie umfassende organisatorische Kompetenzen bei der Mitgestaltung und Planung von Schulveranstaltungen. Weitere notwendige persönliche Kompetenzen betreffen Kenntnisse von Gruppendynamik, Konfliktfähigkeit und Lösungskompetenzen. Auch das fachdidaktische und pädagogische Repertoire muss breit aufgestellt sein, wenn man sich vor Augen führt, wie divers die Inhalte des Unterrichtsfaches Musik und die sonstigen Tätigkeiten von Musikpädagog*innen an Sekundarstufen häufig ausfallen. Die fachdidaktischen Kompetenzen müssen sowohl Rezeptions- als auch Produktionsdidaktik umfassen und betreffen sowohl die ästhetische, gedankliche und emotionale Wahrnehmung von Musik wie auch das eigene ästhetische Erleben und Gestalten durch aktives Schaffen und Interpretieren.

    2.6 Digitalisierung in Pädagogik und Musik

    Und nicht zuletzt wird ein souveräner Umgang mit Digitalisierung gefordert. Digitale Medien und deren Einsatz sind nicht nur didaktisch und pädagogisch notwendig, sondern stellen auch künstlerisch neue Anforderungen an die Musikpraxis und sind für innovativen Unterricht und zeitgemäßes Kunstverständnis unumgänglich.

    2.7 Diversität an Aufgabenstellungen

    Musikpädagog*innen sind oftmals identitätsstiftend für ihre jeweilige Schule, und kaum ein anderer Fachbereich weist ähnlich hohe Diversität an Aufgabenstellungen und Einsatzgebieten auf wie jener der Musikpädagogik an Sekundarstufen. Sie sind an ihren Schulen die Expert*innen für das gesamte Fachgebiet Musik und stehen in dieser Rolle nicht nur im Klassenzimmer, sondern – je nach Aufgabengebiet – häufig auch gemeinsam mit Schüler*innen bei Schulveranstaltungen auf der Bühne. Zudem bringen Schülerinnen im Bereich Musik unterschiedliche Fähigkeiten und Vorwissen aus anderen Bildungsinstitutionen mit (z.B. Musikschulen), und der*die Musikpädagog*e*in wird vor die verantwortungsvolle und herausfordernde Aufgabe gestellt, auf alle Schüler*innen individuell einzugehen, sie zu fordern und zu fördern, dabei aber auch praktische Musikausübung in einem Kollektiv zu ermöglichen, das inhomogen zusammengestellt ist. Moderne Musikpädagogik ist inklusiv und chancengleich und schafft für jedes Individuum einen angemessenen Platz für die musikalische Entfaltung in einem Kollektiv, das einem gemeinsamen Ziel nachgeht.

    2.8. Fazit

    Die Entwicklung solch umfangreicher künstlerischer, musikalisch-praktischer, musiktheoretischer, musikwissenschaftlicher, bildungswissenschaftlicher, pädagogischer, didaktischer, digitaler und sozialer Kompetenzen ist langwierig und komplex und setzt im Studium zahlreiche Voraussetzungsketten sowie einander ergänzende Stränge in der curricularen Architektur voraus, die sich nur aufeinander aufbauend entfalten können. Viele dieser künstlerischen Kompetenzen können nur in kommissionellen Prüfungen abgeprüft werden, was hohen Workload für Studierende bedeutet. Eine Aufteilung der kommissionellen Prüfungen auf frühere Semester ist nicht möglich, weil die künstlerischen Fertigkeiten noch nicht ausreichend ausgebildet wären. Der Verzicht auf diese künstlerischen Kompetenzen ist aus den oben beschriebenen Gründen nicht möglich, und somit kann man das BA-Studium Lehramt Musik Sekundarstufe nicht um ein Studienjahr verkürzen, ohne die Qualität für das Unterrichtsfach Musik und das musikalische Portfolio eines Schulstandortes (und damit aber auch die musikalische Bildung in Österreich insgesamt!) negativ zu beeinflussen. Man braucht im Sekundarbereich Musikpädagog*innen, die souveräne Künstler*innen, versierte Pädagog*innen, umfassend und fundiert gebildete Theoretiker*innen und Praktiker*innen sowie soziale und kreative Persönlichkeiten sind. Ein verkürztes Bachelorstudium für das Lehramtsstudium Musik würde den Musikunterricht im Sekundarbereich qualitativ äußerst negativ betreffen und darüber hinaus eine große Einschränkung für viele schulische Aktivitäten im Wahl- und Freifachbereich bedeuten, was ein Verlust für die gesamte Bildungslandschaft und nicht zuletzt das Musikland Österreich wäre, das – zieht man auch noch die kürzlich durchgepeitschte Abschaffung der Überprüfung der musikalischen Eignung der Elementarpädagog*innen in Betracht – dieses Epitheton bald nicht mehr verdienen wird.

    3. Spezifische Voraussetzungen für das Lehramtsstudium Musik Sekundarstufe und mangelnde Chancengleichheit bei der musical literacy im Sekundarbereich

    Unter musical literacy wird das Lesen, Schreiben und Spielen von Musik sowie das Verständnis kultureller Praxis in den jeweiligen historischen und sozialen Kontexten verstanden.

    3.1 Umfangreiche Voraussetzungen für das Studium

    Das BA-Studium für das Lehramt Musik an Sekundarstufen setzt eine herausfordernde Zulassungsprüfung voraus, bei der Bewerber*innen umfassende künstlerische Kompetenzen in verschiedenen Bereichen nachweisen müssen. Einerseits müssen sie über instrumentale Fertigkeiten auf mehreren Instrumenten verfügen, andererseits aber auch eine bereits in Ansätzen geschulte Stimme haben sowie Erfahrung im Chorsingen und -dirigieren mitbringen. Weiters sollten sie in der Lage sein, einen Gehör- und Musiktheorietest zu bestehen und auch Blattsingübungen zu meistern. Darüber hinaus müssen sie ihre kommunikativen Fähigkeiten unter Beweis stellen und kreativ ein musikalisch-kommunikatives Projekt entwickeln:

  • Künstlerisches Hauptfach (für Linz sind dies die Bereiche Instrumental/Vokal, Popularmusik, Ensembleleitung vokal/instrumental)
  • Klavier, wenn nicht Künstlerisches Hauptfach
  • Gesang, wenn nicht Künstlerisches Hauptfach
  • Sensibilität des musikalischen Gehörs
  • Allgemeine Musiklehre
  • Teilnahme an einem musikalisch-kommunikativen Projekt, das zur Überprüfung der
    kommunikativen Kompetenz dient

    Diese umfangreiche Zulassungsprüfung dient der Überprüfung und Sicherstellung von Basis-Kompetenzen, die professionelle und souveräne Musikpädagog*innen später auf sehr gutem Niveau für ihre berufliche Tätigkeit an Sekundarstufen mitbringen sollten. Aufgrund der spezifischen Situation der Musikausbildung in Österreich ist das Niveau der Zulassungsprüfung im jeweiligen Fachgebiet niedriger angesetzt als bei anderen Musikstudien (Instrumental/Vokal/Komposition/Dirigieren), dafür aber wegen der benötigten Anforderungen an Musikererzieher*innen wesentlich breiter aufgestellt. Nur wenige Studienbewerber*innen verfügen über gleich hohes Niveau in allen gelisteten Bereichen und müssen im Laufe ihres Studiums in sehr unterschiedlichen Bereichen ihre Fertigkeiten und Fähigkeiten ausbauen.

    3.2 Mangelndes musikalisches Vorwissen und Aufbauarbeit in einzelnen Bereichen

    Bereits jetzt klaffen die Anforderungen an die Studierenden des Lehramtsstudiums Musik Sekundarstufe vor allem in künstlerischen, musikalisch-praktischen und musiktheoretischen Bereichen und ihre tatsächlichen Fähigkeiten auseinander. In der Realität des Studiums zeigt sich, dass trotz einer umfangreichen Zulassungsprüfung noch sehr viel Aufbauarbeit während des Studiums erfolgen muss: teilweise ausgehend von niedrigem Niveau in einzelnen Bereichen, die allerdings individuell anders gelagert sind.

    3.3 Unzureichende musical literacy im Sekundarbereich

    Diese Problematik wird durch mehrere Faktoren begünstigt, wobei einer davon ursächlich in der allgemeinen unzureichenden Ausbildungssituation im Unterrichtsfach Musik an den öffentlichen Schulen im Sekundarbereich zu suchen ist. Sukzessive wurden dort in den letzten Jahren das Unterrichtsfach Musik abgebaut und zusätzliche musikalische Angebote quantitativ stark dezimiert – eine Entwicklung, die insgesamt für das vermeintliche „Musikland Österreich“ negative Auswirkungen hat. Spürbar ist bereits jetzt, dass Maturant*innen in der Regel nicht über jene Kompetenzen verfügen, die sie für ein Musikstudium bräuchten. Die musical literacy entspricht damit in keiner Weise der literacy in anderen Fächern, wo die Matura sicherstellt, dass die Hochschulreife für das entsprechende Fach erreicht wurde.
    Betrachtet man die Zulassungsvoraussetzungen für das Lehramtsstudium Musik Sekundarstufe im Cluster Mitte, so sind nur sehr wenige Schulen im Sekundarbereich in der Lage, ihre Schüler*innen überhaupt adäquat auf die Zulassungsprüfung vorzubereiten. Solche Schulen verfügen über einen ausgewiesenen musikalischen Schwerpunkt oder sind Musikgymnasien, die es österreichweit nur in größeren Städten gibt. Dadurch ist nicht gewährleistet, dass alle Maturant*innen über gleiche Voraussetzungen verfügen, überhaupt ein Lehramtsstudium für Musik aufnehmen zu können. Es liegt in der Natur der Sache, dass dies zu einer unaufhaltsamen Abwärtsspirale der musikalischen Bildung einer breiten Bevölkerungsschicht führt.

    3.4 Fehlende Chancengleichheit in der Musikausbildung als Status Quo

    Der Rückschluss ist, dass es defacto keine echte Chancengleichheit gibt, weil der Wohnort und auch die sozioökonomische Situation darüber entscheiden, ob die Herausbildung der notwendigen Basiskompetenzen vorab überhaupt gelingen kann.
    Denn jene Kompensation, die teilweise von Musikschulen (v.a. für die Instrumental- und Gesangspädagogik, aber ohne allgemeine musikpädagogische Angebote) übernommen wird, schafft bis zu einem gewissen Grad ein Parallelsystem im Bildungsbereich, das nicht allen Jugendlichen zugänglich ist, für das „Musikland Österreich“ unbestritten aber eine sehr große und wichtige Rolle spielen würde.

    3.5 Musikalische Hochschulreife als Resultat exklusiver und nicht allgemein zugänglicher Förderprogramme

    Auch wenn gerade in Oberösterreich durch die Kooperation des Adalbert Stifter Gymnasiums der Diözese Linz, des Oberösterreichischen Landesmusikschulwerks und der ABPU die gemeinsam angebotene, formal an der ABPU verortete Akademie für Begabtenförderung (ABF) ein wichtiges Instrument zur Nachwuchsförderung im Musikbereich darstellt, muss festgehalten werden, dass die Aufnahme in dieses Programm bereits herausragende instrumentale Qualitäten und somit entsprechende finanzielle und organisatorische Unterstützung durch das jeweilige Elternhaus voraussetzt und auch vom individuellen Wohnort abhängig ist. Die Angebote der ABF umfassen neben Instrumental- bzw. Gesangsunterricht auch Musiktheorie, Ensemblespiel, Improvisation und Auftrittsmöglichkeiten. Zumindest teilweise schafft die ABPU damit Voraussetzungen, dass Jugendliche über jene Basiskompetenzen verfügen, die sie für das Lehramtsstudium Musik benötigen, wissend, dass die ABF vielen Jugendlichen aus den bereits erwähnten Gründen nicht zugänglich ist.

    3.6 Fazit

    Das BA-Studium Lehramt Musik Sekundarstufe von vier auf drei Jahre zu kürzen, würde zu qualitativen Einbußen führen, wodurch die musical literacy einer breiten Bevölkerungsschicht noch mehr gesenkt anstatt, wie bereits als dringend notwendig beschrieben, angehoben würde. Dies würde die ohnehin nicht gegebene Chancengleichheit noch weiter verringern und vor allem benachteiligten Jugendlichen verunmöglichen, die nötigen Voraussetzungen für das Lehramtsstudium Musik ausschließlich durch den Unterricht und die Angebote im Sekundarbereich zu erwerben. Ganz im Gegenteil müsste hier ein Umdenken stattfinden und der Stellenwert des Unterrichtsfaches Musik ausgebaut statt abgebaut werden. Dies bedarf besonders kompetenter Musikpädagog*innen, die künstlerisch, fachlich und menschlich in der Lage sind als Expert*innen an ihren Schulen auch jene Schüler*innen zu fördern, die sich einen Musikschulbesuch nicht leisten können.

    Quelle: ABPU