Barockoper „Penelope“ überwindet Grenzen

Barockoper „Penelope“ überwindet Grenzen © GMPU

Die Barockoper „Penelope“ ist im Mittelpunkt eines grenzübergreifenden Opernprojekts gestanden. Mehr als 300 Jahre lang wurde sie nicht mehr gespielt. Studierende der Gustav-Mahler-Privatuniversität für Musik in Klagenfurt brachten sie gemeinsam mit einem venezianischen Konservatorium in Venedig und Klagenfurt auf die Bühne.

Die Odyssee ist neben der Illias das zweite, dem griechischen Dichter Homer zugeschriebene Epos, und gehört zu den ältesten und einflussreichsten Dichtungen der abendländischen Literatur. Nachdem Odysseus mit seinem trojanischen Pferd die Stadt Troja besiegt hat, wird er überheblich, was den Gott Poseidon erzürnt. Er verschwört sich gegen ihn und schickt ihn auf Irrfahrt.

Penelope lässt Odysseus zappeln

Die Oper „Penelope“ beginnt bei seiner Ankunft auf der Insel Ithaka. 24 Jahre lang hat er seine Frau nicht gesehen – er vermutet, dass sie ihm untreu gewesen sein könnte und will sie aus Eifersucht auf die Probe stellen.

Er schlüpft in unterschiedliche Rollen, um letztendlich die Gewissheit zu erlangen, dass ihm Penelope treu war und wird von ihr dabei selbst ordentlich zappeln gelassen.

Barockopern dauerten fünf bis sechs Stunden

Francesco Bartolomeo Conti schrieb 1724 die Musik für die barocke Tragikkomödie, Pietro Pariati das Libretto. Aufgeführt wurde die Urfassung am Wiener Kaiserhof, zu einer Zeit, als ein Opernbesuch noch eine im wahrsten Sinne des Wortes abendfüllende Angelegenheit war. Dauerten die Opern doch mitunter fünf bis sechs Stunden. Klaus Kuchling, der musikalische Leiter an der Gustav Mahler Privatuniversität für Musik (GMPU): „Dazwischen wurde gegessen, gelacht und getrunken und es gab Tanzeinlagen. Das war ja ein unglaubliches Spektakel.“

Ursprüngliches Werk gekürzt und adaptiert

600 Seiten einer Originalpartitur aus der österreichischen Nationalbibliothek wurde von einem Experten-Team gemeinsam mit den Studierenden bearbeitet und mit einer weiteren Partitur verglichen. So konnte die vier Stunden dauernde Vorlage um gut eine Stunde gekürzt werden. Projektleiterin Ramona Hocker sagt, Stellen, die in den Noten unklar waren oder bei denen sich während der Proben herausgestellt habe, dass diese in der Szene oder Akustik nicht gut funktionierten, seien zum Teil modifiziert worden.

Individuelle Farbtupfer statt pompöse Perücken

Ein modernes, zeitloses Auftreten des Ensembles war Stefanie Planton ein Anliegen, die für Regie, Bühnenbild und Kostüme zuständig war. Sie bediente sich für die Ausstattung teilweise im Fundus des Klagenfurter Stadttheaters, ließ aber auch ihre eigene Kreativität einfließen, indem jeder Darsteller von Kopf bis Fuß in einer eigenen Farbe eingekleidet wurde, die jeweils für dessen Charakter steht.

Veronika Lesjak spielt den machtgierigen Medonte. Er lässt nichts unversucht, um König zu werden. Sie sagte, durch das Kostüm sei es ihr leichter gefallen, in diese Rolle zu schlüpfen: „Die Arien und auch die Rezitative sind sehr dankbar gelegen, um die Wut und das Sich-Durchsetzen-Wollen auszurücken. Dementsprechend war es ein schöner Lernprozess. Wir haben es probiert und es ist gut aufgegangen.“

Argene: Moderne Frau mit Mut und Herz

Für den von ihr dargestellten Medonte hingegen führen die Avancen, die er Argene macht, allerdings nicht zum Erfolg. Sie lässt ihn abblitzen, weil ihr Herz Telemaco alleine gehört, obwohl sie den ihr versprochenen Bräutigam noch nie zu Gesicht bekommen hat.

„Sie ist eine moderne Frau. Romantisch, aber gleichzeitig weiß sie, Grenzen zu setzen“, sagt Simona Gatto. Die verhältnismäßig lange Probezeit habe es den Darstellern leicht gemacht, sich in die Charaktere hineinzuversetzen. Sie habe die Zusammenarbeit mit den Kollegen aus Klagenfurt als eine Bereicherung empfunden.

Darsteller ließ sich inspirieren

In der Rolle des Sklaven und gleichzeitig auch Freundes von Odysseus, Tersite, kann der Italiener Samy Timin seine komödiantische Ader ausleben. Er sagt, ihn habe die andere Herangehensweise an die Bühnenarbeit inspiriert und er habe viel für sein Auftreten auf der Bühne gelernt.

An der Gustav-Mahler-Privatuniversität in Klagenfurt werden Studierende aus 38 Nationen unterrichtet. Dennoch galt es bei dem Projekt, auch bürokratische Hürden zu überwinden, damit die Lernaktivitäten auch in beiden Ländern angerechnet werden. Peter Töplitzer, Direktor der GMPU, sagte, die ECTS-Richtlinien würden zwar überall gelten. Das Projekt habe jedoch erst in die jeweiligen Lehrpläne entsprechend eingearbeitet werden müssen, was mit einigem Aufwand verbunden gewesen sei.

Für das Conservatorio di Musica „Benedetto Marcello“, nahe der Accademia-Brücke, war dies das erste grenzübergreifende Projekt in dieser Größenordnung, unterstrich Direktor Roberto Gottipavero: „Wir sind sehr glücklich über diese Kooperationen, weil sie unsere Schule und unsere Jugendlichen wachsen lässt.“

Russo: „Musikwissenschaftlich überraschend“

Selbst für Elena Russo, Expertin auf dem Gebiet der alten Musik, war „Penelope“ eine Offenbarung: „Das Orchester ist immer in allen Bereichen präsent, es hat sehr interessante Rezitative. Ich muss sagen, es war sehr überraschend, auch aus musikwissenschaftlicher Sicht.“

Alte Instrumente in jungen Händen

Auch weil ein Psalterium – eine Urform von Zither und Hackbrett – auf der Bühne zum Einsatz kommt. Theresa Aichner lernte auf einer Geige aus dem 18. Jahrhundert zu spielen: „Ich finde, man lernt über die Barockgeige auch wieder viel für das moderne Geigenspiel dazu. Man muss gerade bei der Bogentechnik noch genauer sein, als auf einer modernen Geige.“

Für die Studierenden aus beiden Ländern lag die Arbeit nicht nur im Wissenschaftlichen, sondern auch ganz stark in der Praxis. So waren sie auch in Management und Organisation eines solchen Großprojekts eingebunden. Theresa Aichner sagt, durch die Teilnahme habe sich für sie ein Lebenstraum verwirklicht und sie habe Erfahrungen in unterschiedlichen Bereichen sammeln können, etwa beim Editieren der Noten und bei der Erstellung von Musikvermittlungsmaterialien für Schulen.

Weitere grenzübergreifende Projekte geplant

Auch für den erfahrenen Dirigenten Klaus Kuchling war das Projekt aufschlussreich. Er habe stilistisch und im Bereich der Verzierungen, der Kadenzen viel gelernt.

Diese Interpretation von „Penelope“ soll keinesfalls wieder für Jahrhunderte in der Schublade verschwinden und in Venedig und Klagenfurt nicht zum letzten Mal aufgeführt worden sein, hoffen alle. Roland Streiner, Rektor der Gustav Mahler Privatuniversität für Musik, sagt, Ziel sei es, weitere Projekte mit Partnern aus den Nachbarländern umzusetzen, da die Musik die Menschen über die Grenzen hinweg verbinde.

Dieser Beitrag begleitet die Sendung „Servus, Sréčno, Ciao“ in ORF 2 am 21.6.2025.

Foto: Barockoper „Penelope“ überwindet Grenzen © GMPU

Quelle: https://kaernten.orf.at/tv/stories/3309559/