Zum Tag des Judentums: Perspektiven zum christlich-jüdischen Dialog

Foto: Gruppe von links: Mag. Günter Merz (Evangelische Kirche A.B. OÖ, Beauftragter für christlich-jüdisches Gespräch), Pfarrer Mag. Roland Werneck, Dr.in Gudrun Becker (christlich-jüdisches Komitee OÖ/Fachstelle Ökumene und Interreligiöser Dialog der Diözese Linz), Rabbiner Dr. Jehoschua Ahrens, Bischof Dr. Manfred Scheuer, Präsidentin Dr.in Charlotte Herman (Israelitische Kultusgemeinde), Rektor Univ.-Prof. Dr. Michael Fuchs (Katholische Privat-Universität Linz) © KU Linz / Hermine Eder

Rund 130 Gäste folgten am 14. Jänner 2025 anlässlich des „Tags des Judentums“ der Einladung des „christlich-jüdischen Komitees OÖ“ in die Katholische Privat-Universität Linz zu einer Vortragsveranstaltung, unter ihnen der Rektor der KU Linz, Univ.-Prof. Michael Fuchs, Landeshauptmann a.D. Josef Pühringer, die Leiterin des Katholisches Bibelwerkes Karin Hintersteiner, die Superintendentialkuratorin der Evangelischen Kirche A.B. OÖ Renate Bauinger und Bischof Manfred Scheuer, der auch als zuständiger Referatsbischof der Österreichischen Bischofskonferenz für die Beziehungen zum Judentum referierte.

Geschwisterlichkeit und Umkehr.

Den Hauptvortrag hielt Rabbiner Jehoschua Ahrens, der nach einer Tätigkeit als Marketingmanager und einer Rabbinatsausbildung in Israel derzeit als Gemeinderabbiner in Bern sowie als Oberrabbiner in Salzburg tätig ist und an einem Habilitationsprojekt an der Universität Salzburg arbeitet. In seinem Vortrag gab er Einblicke in die jüdische Sicht auf den christlich-jüdischen Dialog und auf das Christentum. Rabbiner Ahrens zeigte anhand von rabbinischer Literatur seit dem Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert eine Reihe von positiven Bewertungen und Einordnungen des Christentums. So wurden z.B. von Maimonides im 12. Jahrhundert und Rabbiner Jacob Emden im 18. Jahrhundert die Taten und Werte von Jesus positiv erwähnt. Auch die Pluralität von Religionen wird vielfach als gottgewollt angesehen und ein Missionsgedanke ist dem Judentum ohnehin fremd. In der Erklärung „Den Willen unseres Vaters im Himmel tun: Hin zu einer Partnerschaft zwischen Juden und Christen“ (2015), an deren Abfassung Rabbiner Ahrens beteiligt war, heißt es: „Wir möchten den Willen unseres Vaters im Himmel tun, indem wir die uns angebotene Hand unserer christlichen Brüder und Schwestern ergreifen. Juden und Christen müssen als Partner zusammenarbeiten, um den moralischen Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen […]. Wie Maimonides und Jehudah Halevi vor uns erkennen wir an, dass das Christentum weder ein Zufall noch ein Irrtum ist, sondern göttlich gewollt und ein Geschenk an die Völker.“

Für ein Statement zum christlich-jüdischen Dialog aus evangelischer Sicht war der evangelische Theologe, Religionslehrer und Pfarrer Roland Werneck eingeladen, der von der Evangelischen Kirche Österreich in die Lutherische Europäische Kommission Kirche und Judentum (LEKKJ) delegiert ist, die 1976 gegründet wurde und in jährlichen Konferenzen den christlich-jüdischen Dialog auf Augenhöhe praktiziert. Werneck stellte Meilensteine einer positiven Entwicklung in den Beziehungen zwischen den evangelischen Kirchen und dem Judentum nach 1945 vor. Neben wichtigen Dokumenten wie die Schrift „Zeit zur Umkehr. Die Evangelischen Kirchen in Österreich und die Juden“ (1998) der Generalsynode zeigte Werneck spannende Initiativen aus der Praxis auf: das Studienprogramm „Studium in Israel“ an der Hebräischen Universität Jerusalem für christliche Theologiestudierende, die „Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext“ für die vorgesehenen Bibeltexte im evangelischen Gottesdienst oder die intensive Auseinandersetzung mit antijüdischen Motiven auf den Kirchenfenstern in der Evangelischen Pauluskirche in Wien.

Bischof Manfred Scheuer stellte die katholische Sicht auf den christlich-jüdischen Dialog anhand der Erklärung „Nostra aetate. Über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen“ (1965) des Zweiten Vatikanischen Konzils dar, die vor 60 Jahren verabschiedet wurde. Entscheidende Impulse für die Entstehung der Erklärung und die positive Entwicklung in den katholisch-jüdischen Beziehungen gingen u.a. von dem jüdischen Historiker Jules Isaac aus. „Die Konzilsväter des II. Vatikanischen Konzils (1962–1965) sahen sich konfrontiert mit, ‚knapp zwei Jahrtausenden des Misstrauens, der Beschuldigungen sowie des offenen Hasses und der Diffamierungen sowohl in theologischer als auch in gesellschaftlicher und politischer Hinsicht‘ (Andreas Vonach), in denen das jüdische Volk seiner theologischen und vielfach auch seiner realen Existenzberechtigung beraubt wurde. Der entscheidende Schritt der Konzilserklärung ‚Nostra aetate‘ besteht darin, dass die Kirche in ihrer Herkunft und damit in ihrer Identität unabweisbar an das Volk Israel verwiesen und das aktuelle Judentum als konstitutiver Gesprächspartner einbezogen wird“, so Bischof Scheuer.

Foto: Gruppe von links: Mag. Günter Merz (Evangelische Kirche A.B. OÖ, Beauftragter für christlich-jüdisches Gespräch), Pfarrer Mag. Roland Werneck, Dr.in Gudrun Becker (christlich-jüdisches Komitee OÖ/Fachstelle Ökumene und Interreligiöser Dialog der Diözese Linz), Rabbiner Dr. Jehoschua Ahrens, Bischof Dr. Manfred Scheuer, Präsidentin Dr.in Charlotte Herman (Israelitische Kultusgemeinde), Rektor Univ.-Prof. Dr. Michael Fuchs (Katholische Privat-Universität Linz) © KU Linz / Hermine Eder