Wie Patient*innenportale wirklich wirken: UMIT TIROL-Forscherin entwickelt neues Modell zur Bewertung digitaler Gesundheitsplattformen

Foto: Michelle Bindel © UMIT-Tirol

Elektronische Krankenakten, E-Rezepte, Terminvereinbarungen per App: Die Digitalisierung verändert das Gesundheitswesen grundlegend. Ein zentrales Element dabei sind sogenannte Patient*innenportale – webbasierte Plattformen, über die Nutzer*innen auf ihre Gesundheitsdaten zugreifen und mit Ärzt*innen kommunizieren können. Doch wie wirksam sind diese Portale tatsächlich? Genau das untersucht Michelle Bindel, MSc., wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medizinische Informatik der Privatuniversität UMIT TIROL, in ihrer Dissertation. Bindel wird dabei vom Land Tirol über die Nachwuchswissenschaftlerinnenförderung (TNF) unterstützt.

Ihr Ansatz ist neu. Statt auf klassische Wirksamkeitsstudien setzt sie auf die Programmtheorie, ein sozialwissenschaftliches Analysemodell, das nicht nur misst, ob etwas wirkt, sondern auch wie und warum. Im Fokus steht die Frage, wie Patien*tinnenportale konkret gestaltet sein müssen, um Zufriedenheit, Gesundheitskompetenz und Eigenverantwortung tatsächlich zu steigern.

Ausgangspunkt ihrer Arbeit ist eine Überblicksstudie von Univ.-Prof. Dr. Elske Ammenwerth vom Institut für Medizinische Informatik der Privatuniversität UMIT TIROL, welche bereits 2020 zeigte, dass sich die Wirkung von Patient*innenportalen nur schwer messen lässt. Michelle Bindel sieht die Ursache in der Komplexität solcher Systeme.

„Patient*innenportale sind keine Medikamente. Sie funktionieren nicht bei jedem gleich. Zehn Menschen nutzen sie auf zehn unterschiedliche Arten“, erklärt sie. Genau deshalb brauche es ein anderes methodisches Werkzeug, um sie realitätsnah zu evaluieren.

Bindel setzt auf eine Kombination aus „Theory of Change“ – einer strukturierten Beschreibung von Veränderungsprozessen – und dem „Logic Model“, welche Ziele, Inputs, Maßnahmen und Wirkungen sichtbar macht. Damit will die Wissenschaftlerin nicht nur untersuchen, was Portale leisten, sondern auch, welche strukturellen Barrieren ihrer Wirksamkeit im Weg stehen.

In einem ersten Schritt erstellt sie ein Wirkmodell auf Basis bestehender Literatur. Danach werden reale Patient*innenportale analysiert und deren Nutzer*innen – sowohl Nutzer*innen als auch medizinisches Personal – befragt. Ziel ist ein validiertes Modell, das Einrichtungen bei der Einführung und laufenden Optimierung von Portalen unterstützt.

„Patient*innenportale können eine echte Hilfe sein, wenn sie praxisnah gedacht sind“, sagt Bindel. Ihr Wirkmodell soll genau das ermöglichen: digitale Lösungen, die funktionieren, weil sie Menschen und Prozesse realistisch abbilden und nicht an der Realität vorbeigeplant werden.

Foto: Michelle Bindel © UMIT Tirol / Kern