Mit Bluetooth-Signalen belegt: Soziale Kontakte beleben zunächst, dann aber ermüden sie uns

Foto: Logo © KL

Eine Studie der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften zeigt: Die bloße Anwesenheit anderer Menschen stärkt zwar kurzfristig das emotionale Wohlbefinden, hat jedoch später ihren Preis in Form von Ermüdung.

Krems (Österreich), 15. Juli 2025 – Soziale Kontakte heben zwar unsere Stimmung, können uns aber Stunden später auch erschöpfen. Eine neue Studie hat diese emotionale Abfolge erstmals in alltäglichen Situationen lückenlos nachgezeichnet. Sie zeigt: Die Nähe zu anderen Menschen steigert zunächst die emotionale Energie, führt nach einigen Stunden jedoch zu Ermüdung. Mithilfe von Smartphone-Umfragen und Bluetooth-Signalen konnten Forschende der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften (KL Krems) beide Effekte im selben zeitlichen Ablauf erfassen. Die Ergebnisse zeigen, wie sich alltägliche Begegnungen nicht nur im Moment, sondern über Stunden hinweg auf unsere Stimmung auswirken.

Wie soziale Nähe auf das emotionale Wohlbefinden wirkt, ist eine der zentralen Fragen der Psychologie. Doch im Alltag lassen sich diese Prozesse nur schwer erfassen. Klassische Selbstauskünfte sind oft lückenhaft oder verzerrt. In der vorliegenden Studie kombinierten die Forschenden daher zwei Methoden: kurze Smartphone-Befragungen zur aktuellen Gefühlslage (Experience Sampling) und passives Bluetooth-Scannen über einen Zeitraum von zwei Wochen. Achtzig erwachsene Teilnehmende antworteten viermal täglich, sodass insgesamt über 3.700 Einträge gesammelt wurden. Parallel dazu erfassten die Smartphones mehr als 123.000 Bluetooth-Signale aus der Umgebung, die als objektives Maß für soziale Präsenz dienten. Im Fokus standen vier emotionale Zustände: Vitalität, Müdigkeit, Niedergeschlagenheit und Ärger. Die Studie wurde vom Fachbereich Psychologische Methodenlehre der KL Krems durchgeführt.

HOCH & TIEF DER GEFÜHLE

„Soziale Interaktionen gelten als belebend – und unsere Studie bestätigt das eindrucksvoll“, sagt Dr. David Willinger, MSc, wissenschaftlicher Mitarbeiter (PostDoc) am Fachbereich Psychologische Methodenlehre der KL Krems. „Bemerkenswert ist vor allem, wie klar wir sowohl die unmittelbare Stimmungsaufhellung als auch die zeitverzögerte Ermüdung innerhalb eines konsistenten Zeitverlaufs beobachten konnten.“ Die Daten zeigten ein deutliches Muster: In Gegenwart anderer Menschen stieg das Gefühl von Vitalität, während Niedergeschlagenheit zurückging. Doch drei bis vier Stunden später nahm die Ermüdung bzw. emotionale Erschöpfung spürbar zu. „Es ist wie ein sozialer Zuckerrausch“, so Willinger. „Zuerst wirkt’s belebend – aber später wird’s anstrengend.“

Um die Wirkung sozialer Präsenz auf die Gefühlslage zu untersuchen, setzten die Forschenden drei sich ergänzende Verfahren ein. Lineare Mehrebenenmodelle (Analyse wiederholter Messungen innerhalb und zwischen Personen) erfassten sowohl sofortige als auch zeitversetzte Zusammenhänge zwischen sozialer Nähe und Stimmung. Ein kontinuierliches Strukturgleichungsmodell (Ermittlung zeitabhängiger Wechselwirkungen mit Rückkopplungseffekten) zeigte, wie sich soziale Präsenz und negative Stimmung über mehrere Stunden hinweg wechselseitig beeinflussten. Schließlich identifizierte ein Multi-Zustands-Modell den Wechsel zwischen vitalen und ermüdeten Zuständen und deren jeweilige Dauer. Zusammengenommen ergab sich so ein detailreiches und belastbares Bild emotionaler Dynamiken im Alltag.

Frühere Studien hatten bereits stimmungsaufhellende Effekte sowie eine verspätete Ermüdung nach sozialen Kontakten beschrieben. Die aktuelle Untersuchung ist jedoch die erste, die beide Phänomene im selben zeitlichen Ablauf und mit hoher zeitlicher Auflösung sichtbar macht. Dabei hielten Vitalitätszustände meist länger an als Müdigkeit. Dennoch erhöhte eine intensivere soziale Präsenz die Wahrscheinlichkeit, von einem belebten in einen erschöpften Zustand zu wechseln. Die positive Wirkung sozialer Kontakte kann demnach schneller verfliegen, als ihre emotionale Belastung spürbar wird. Zudem zeigte sich: Wer sich in einer Situation als kontrolliert erlebte, erholte sich schneller von Erschöpfung und blieb emotional stabiler.

ZEITVERSCHIEBUNG

Die Ergebnisse ergänzen bestehende psychologische Modelle wie die Social Baseline Theory oder das Konzept der sozialen Allostase, die beide die emotionale Wirkung sozialer Nähe beschreiben. Die Studie macht deutlich, dass diese Effekte nicht statisch sind, sondern sich im Laufe der Zeit verändern – abhängig von Intensität und Kontext sozialer Situationen. Mithilfe einer dichten Alltagsdatenlage und modernen Analysemethoden gelang dem Team der KL Krems eine seltene, zeitlich aufgelöste Kartierung emotionaler Prozesse im sozialen Umfeld. Die Arbeit unterstreicht die wachsende Rolle der Universität in einer psychologisch fundierten Alltagsforschung.

Links und vollständige Kontaktdetails hier: https://prd.at/newsroom-kunden/mit-bluetooth-signalen-belegt-soziale-kontakte-beleben-zunaechst-dann-aber-ermueden-sie-uns/

Originalpublikation: Bluetooth-sensed social presence is associated with immediate vigor and delayed fatigue: A multi-method time series analysis, D. Willinger: S. Stieger: iScience (2025) 28, 112726.

Foto: Logo © KL