Um die zentrale Rolle von Franziska Jägerstätter, der Frau des Kriegsdienstverweigerers aus Gewissensgründen Franz Jägerstätter, entsprechend zu dokumentieren und zu würdigen, widmete sich das Franz und Franziska Jägerstätter Institut (FFJI) der Katholischen Privat-Universität Linz der Erschließung der privaten Sammlung von Franziska Jägerstätter (1913–2013). Diese bietet einzigartige Einblicke in das Lebensumfeld und die Wirkungsgeschichte von Franz und Franziska Jägerstätter, sie zeugt von der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und der Wehrdienstverweigerung in Österreich und international und dokumentiert die Entstehung und Veränderung wichtiger Gedenkstätten, die heute einen fixen Platz in der (ober)österreichischen Kulturlandschaft haben.
Das Franz und Franziska Jägerstätter Institut der KU Linz hat im Rahmen des Förderprogramms „Kulturerbe digital“ des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport das Projekt „Sammlung Franziska Jägerstätter“ erfolgreich beendet. Im Laufe von zwölf Monaten wurden ausgewählte Fotos und Briefe digitalisiert, erschlossen und über mehrere Plattformen zugänglich gemacht.
Das Projekt widmete sich erstmals der Erschließung der privaten Sammlung von Franziska Jägerstätter (1913–2013), der Ehefrau Franz Jägerstätters. Diese Sammlung enthält bedeutende Schriftstücke und Fotografien, die einen einzigartigen Einblick in die Wirkungsgeschichte von Jägerstätter über Jahrzehnte hinweg in Kunst, Kirche, Politik und Gesellschaft ermöglichen. Der Zeitraum der Sammlung erstreckt sich von 1945 bis zu ihrem Tod im Jahr 2013.
Aus dem Nachlassmaterial wurden zu Beginn des Projektes 742 Objekte nach Kriterien ausgewählt (darunter 543 Fotografien, 40 Diapositive und 159 mehrseitige Briefe und Postkarten). Die Auswahl wurde durch Projektmitarbeiterinnen digitalisiert und archivisch erschlossen. Das Franz und Franziska Jägerstätter Institut (FFJI) leistete hierfür zahlreiche Hintergrundrecherchen, um eine bestmögliche Beschreibung des Materials zu erreichen. Zudem wurden 32 Briefe im Rahmen des Projektes durch Andreas Schmoller und Verena Lorber editorisch bearbeitet und in der digitalen Jägerstätter-Edition veröffentlicht. Die digitale Ausgabe der Jägerstätter-Schriften erfasst nunmehr 402 Schriftstücke.
Hintergründe und Zielsetzung
Im Jahr 2019 übertrugen die Erbinnen die Sammlung einschließlich umfassender Verwertungsrechte mittels Schenkungsvertrages an die Diözese Linz, die sie zur wissenschaftlichen Aufarbeitung an das Franz und Franziska Jägerstätter Institut weitergab. Ziel des Projektes war es, die zentrale Rolle der Frau des Kriegsdienstverweigerers aus Gewissensgründen Franz Jägerstätter in der Bewahrung dessen Erbes entsprechend zu würdigen.
Dabei zeigte sich eine dreifache kulturelle Bedeutung der Sammlung:
Rekonstruktion der Lebensgeschichte von Franziska Jägerstätter: Die Briefe und Fotografien füllen eine Lücke in der Jägerstätter-Forschung, indem sie das Leben von Franziska Jägerstätter dokumentieren. So geben Fotografien wertvolle Einblicke in ihr Alltagsleben, ihre sozialen und familiären Beziehungen sowie ihre aktive Rolle in der Gemeinde. Weiters zeugen die Aufnahmen von ihren Beziehungen zu Führungspersonen der Internationalen Friedensbewegung sowie von ihrer umfangreichen Pilger- und Reisetätigkeit.
Zeugnisse der Rezeptionsgeschichte von Franz Jägerstätter: Die Sammlung bietet wichtige Einblicke in die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und der Wehrdienstverweigerung in Österreich und international. Mithilfe der in der Sammlung enthaltenen Schreiben lassen sich die Meilensteine in der Rezeptionsgeschichte herausarbeiten. Hierzu zählen an sie adressierte Reaktionen auf die Verfilmung des Falles Jägerstätters durch den österreichischen Regisseur Axel Corti 1971.
Dokumentation und Transformation zentraler Gedenkstätten: Die Sammlung zeigt die Entstehung und Veränderung wichtiger Gedenkstätten, die heute einen fixen Platz in der (ober)österreichischen Kulturlandschaft haben. Diese Orte sind zentrale Elemente der österreichischen Erinnerungskultur sowie wichtige Bezugspunkte für die historische Bildungsarbeit und das religiöse Leben. Besonders hervorzuheben ist hierbei die Grabstätte Franz Jägerstätters, die nach der Überführung der Urne 1946 an der Außenmauer der Pfarrkirche errichtet wurde und im Laufe der Jahrzehnte zahlreiche Veränderungen erfuhr. Diese war jahrzehntelang das bevorzugte Fotomotiv von Pilger:innen und Besucher:innen und somit Ort erinnerungskultureller Inszenierungen. Ähnliches gilt für das ehemalige Wohnhaus der Familie Jägerstätter. Durch die Erschließung der Sammlung wird die Transformation des Gebäudes von einem abrissgefährdeten Bauernhof hin zu einem internationalen Gedenk- und Begegnungsort sichtbar. Am 50. Todestag von Franz Jägerstätter fand 1993 unter großem medialem Interesse die Eröffnung des „Hauses Jägerstätter“ statt.
Zugang zu den Projektergebnissen finden Sie über folgende Plattformen:
- Objektdatenbank OmekaS
- Kulturpool
- Jägerstätter Edition (Fotos / Briefe)
Foto: Franziska Jägerstätter © KU Linz / FFJI