Privat-Uni-Vertreter Karl Wöber sieht durch private Studienplätze einen Beitrag zur Fairness. Der Rektor bestreitet die Macht der Orbán-treuen ungarischen Eigentümer an seiner Modul-Uni
Privat-Unis boomen. Während die Studierendenzahlen in Österreich insgesamt stagnieren, haben sie sich an den Privatuniversitäten im vergangenen Jahrzehnt verdoppelt – und machen nun immerhin fünf Prozent aus. Karl Wöber ist Vorsitzender der Österreichischen Privatuniversitätenkonferenz (Öpuk) und begleitet die Entwicklung des Systems seit Jahrzehnten. Auf dem Wiener Kahlenberg, wo er als Rektor der Modul-University amtiert, sprach er mit dem STANDARD über gesalzene Studiengebühren, den Widerstand gegen private Anbieter und die ungarische Politik, die Österreichs Privat-Unis auf doppelte Weise prägt.
STANDARD: Viele junge Menschen überlegen noch, wo sie ab Herbst studieren könnten. Warum sollten sie sich für eine Privat-Uni entscheiden?
Wöber: In Österreich gibt es Privat-Unis seit 20 Jahren, und das Angebot hat sich toll entwickelt und verbreitert. Wir haben in mittlerweile fast jedem Bundesland Studien auf höchstem Niveau mit einem hervorragenden Betreuungsverhältnis, sodass die Studierenden einen persönlichen Draht zu den Professoren haben. Was uns zudem auszeichnet, ist die internationale Ausrichtung mit vielen englischsprachigen Programmen. Aufgrund der Diversität unserer Studierenden kann man sich ein Netzwerk aufbauen, das über Österreich hinausreicht.
STANDARD: Bei näherer Betrachtung ziehen die Privat-Unis primär in jenen Fächern Studierende an, in denen die öffentlichen Unis strenge Zugangsbeschränkungen haben – etwa Medizin und Musik. In Studien ohne Aufnahmehürden bieten die Privat-Unis wenig an. Zeigt das nicht, dass Privat-Unis vor allem als Ausweichoption dienen, wenn es mit dem Wunschplatz an einer öffentlichen Uni nicht klappt?
Wöber: Natürlich ist es so, dass wir unser Angebot an der Nachfrage orientieren müssen und in Fächern mit Zugangsbeschränkungen besser reüssieren, weil die Betroffenen nach Alternativen suchen. Aber der Sektor der Privat-Unis ist hierzulande noch jung und daher im internationalen Vergleich klein. Er wird bestimmt noch wachsen, derzeit kommen mancherorts technische Studiengänge dazu.
STANDARD: Wer den schweren Aufnahmetest an öffentlichen Medizin-Unis nicht schafft, kann an einer Privat-Uni Medizin studieren. Dafür braucht man jedoch reiche Eltern, weil ein Semester zwischen 10.000 und 15.000 Euro kostet. Finden Sie das fair?
Wöber: Wenn man auf die einzelnen Studierenden schaut, erscheint das unfair. Aber man muss das große Ganze sehen: Jeder Medizinstudienplatz, der von einer Privat-Uni vergeben wird, bedeutet ein Problem weniger für das Gesamtsystem. Die öffentlichen Unis stellen leider so wenige Plätze zur Verfügung, dass nur jeder zehnte Kandidat den Aufnahmetest besteht, der zudem sozial selektiv ist. Man kann mir nicht einreden, dass die restlichen Kandidaten alle nicht für ein Medizinstudium geeignet sind, das wäre ein schlimmes Zeugnis für unser Schulsystem. Sofern diese Menschen Medizin studieren wollen und dazu einen finanziellen Beitrag leisten können, sollte man ihnen das ermöglichen. Wir erfüllen da eine wichtige Aufgabe, auch wenn in Österreich die Mentalität herrscht, private Bildungsangebote prinzipiell infrage zu stellen – das beginnt schon beim Privatkindergarten.
STANDARD: Eine Universität sollte Forschung und Lehre vereinen. Die Forschungsleistung der heimischen Privat-Unis ist allerdings weitgehend schwach ausgeprägt. Wären sie nicht eher als Fachhochschulen zu klassifizieren?
Wöber: Ich weise noch einmal darauf hin, dass Privat-Unis erst seit 20 Jahren existieren. Die öffentlichen Unis gibt es mitunter seit hunderten Jahren, das macht einen Vergleich schwierig. Es stimmt auch, dass bei der Entwicklung des privaten Hochschulsektors in vielen anderen europäischen Ländern zu wenig auf die Forschungskompetenz geachtet wurde. In Österreich besteht aber durch die gesetzlichen Standards zur Qualitätssicherung sehr wohl eine gute Basis für Forschung an Privat-Unis. Es ist da schon einiges vorangegangen, die Modul-Uni hat bereits vor vielen Jahren einen ERC-Grant (renommierte EU-Forschungsförderung, Anm.) bekommen und bei einem Zitationsranking sehr gut abgeschnitten. Da Privat-Unis üblicherweise klein sind, haben sie es schwer, mit ihrer Forschung kommunikativ ins Rampenlicht zu treten – daran werden wir arbeiten. Zugleich wünsche ich mir eine stärkere Verankerung der Privat-Unis in den Institutionen der Forschungsförderung wie dem FWF.
STANDARD: Die Hälfte der österreichischen Privat-Unis lebt paradoxerweise vorwiegend von staatlichem Geld, weil sich Bundesländer und Gemeinden intensiv beteiligen. Nur der Bund darf kein Geld zuschießen. Kritiker sehen eine begriffliche Irreführung und die Gefahr staatlich finanzierter Parallelstrukturen. Was meinen Sie dazu?
Wöber: Das Wort „privat“ bedeutet in unserem Zusammenhang bloß, dass die Organisationsform und die Verträge mit Studierenden privatrechtlich gestaltet sind. Ich verstehe, dass es für Außenstehende missverständlich ist, wenn länderfinanzierte Unis als Privat-Unis bezeichnet werden. Es wäre im Sinne der Transparenz sinnvoll, wenn sie offiziell als „Landesuniversitäten“ auftreten würden, das Gesetz erlaubt es aber momentan nicht.
STANDARD: Und zur inhaltlichen Kritik?
Wöber: Man wird der Situation nicht gerecht, indem man vorrechnet, dass die Hälfte der Privat-Unis von öffentlichen Budgets lebt. Denn diese Hälfte umfasst vor allem Institutionen mit geringen Studierendenzahlen. Aussagekräftiger ist die Zahl, wonach 80 Prozent der Studienplätze an Privat-Unis privat finanziert werden – das heißt durch Studiengebühren.
STANDARD: Trotzdem fließt viel Steuergeld unkoordiniert in Länder-Privat-Unis, obwohl es schon viele steuerfinanzierte Unis des Bundes gibt. Was bringt diese Zweigleisigkeit?
Wöber: Man kann es auch umgekehrt sehen: Der Bund hat es verabsäumt, in den Ländern ein ausreichendes Angebot zu kreieren. Offenbar wird der Bedarf ja nicht gedeckt. Ich bin froh, dass es in Österreich mehrere Ebenen gibt, die ein Interesse an höherer Bildung haben und dafür etwas ausgeben. Würde man den Ländern verbieten, in Privat-Unis zu investieren, dann glaube ich nicht, dass dieses Geld den anderen Unis zugute käme.
STANDARD: In Ihrer Haupttätigkeit sind Sie Rektor der Modul-Universität in Wien. Die steht seit vergangenem Jahr zu 90 Prozent im Eigentum des Mathias Corvinus Collegium (MCC) – einer Stiftung, die der ungarischen Regierung nahesteht und sich einem nationalkonservativ-rechten Programm verschrieben hat. Was, glauben Sie, erhofft sich die Orbán-Regierung von Ihnen?
Wöber: Keine Ahnung. Ich mache mir dazu keine Gedanken und kann nicht nachvollziehen, wie es irgendwelche inhaltlichen Vorgaben geben sollte. Es gelten nach wie vor die strengen Akkreditierungsregeln und unsere eigenen Statuten – sie legen fest, wie Lehre und Forschung organisiert werden. Die handelnden Personen in akademischen Belangen haben sich durch den neuen Eigentümer nicht geändert, es gibt hier keinen Einfluss, und es kann ihn auch nicht geben.
STANDARD: Aber das MCC ist im Universitätsrat vertreten und stellt den neuen ungarischen Geschäftsführer. Dass es keinen Einfluss gibt, ist unplausibel.
Wöber: Ja, aber das war bei diesen Funktionen unter den früheren Haupteigentümern, etwa der Wirtschaftskammer Wien, genauso. Ihr Einfluss ist dennoch enden wollend, das gilt für die Eigentümer von Privat-Unis generell.
STANDARD: Die Modul-Uni bilanziert mit einem negativen Eigenkapital, ist also verschuldet. Das Corvinus Collegium hat sich jedoch bereiterklärt, die Uni mit seinem Stiftungsgeld vor einer Insolvenz zu bewahren. Das spricht doch für eine starke Abhängigkeit.
Wöber: Diese ökonomische Zusicherung hat es in der Geschichte der Modul University vorher auch immer gegeben, unter verschiedenen Eigentümern. Wenn wir ein positives Eigenkapital erzielen wollten, müssten wir schlagartig höhere Studiengebühren einheben. Dann würde man uns vorwerfen, das sei nicht sozial. Ich bin dankbar, dass unsere Eigentümer stets so bereitwillig in die Uni investieren, hohe Qualität ist an einer Hochschule nun einmal teuer.
STANDARD: An ungarischen Hochschulen wurde die akademische Freiheit in den vergangenen Jahren stark beschnitten, auch die Akademie der Wissenschaften wurde an die Kandare genommen. Die Rektoren der österreichischen öffentlichen Unis haben große Sorge über diese Rückschritte im Nachbarland geäußert. Sie sind die langjährige Stimme der österreichischen Privat-Uni-Rektoren: Sind Sie über diese Entwicklungen in Ungarn ebenso besorgt?
Wöber: Ich setzte mich dafür ein, dass jedes EU-Land Privat-Unis erlauben und deren Entwicklung fördern sollte – in manchen Ländern sind sie sogar noch verboten. In Ungarn gibt es zwar einige Privat-Unis, aber noch relativ wenige – da sehe ich persönlich Aufholbedarf. Ich glaube, dass es für Ungarn durchaus interessant zu sehen ist, wie eine gute Privat-Uni funktioniert – dazu könnte die Zusammenarbeit von Modul und Corvinus Collegium positiv beitragen. Zu anderen Dingen tue ich mir schwer, etwas zu sagen.
STANDARD: Als Vertreter der Privat-Unis sind Sie mittlerweile auch für die Central European University (CEU) in Wien zuständig, die von der Orbán-Regierung 2019 aus Budapest rausgeekelt wurde. Der damalige CEU-Präsident nannte das einen „wissenschaftlichen und moralischen Skandal“. Teilen Sie seine Einschätzung?
Wöber: Das kann ich nicht beurteilen, weil ich die Details der Entwicklung nicht kenne. Wie gesagt, das System der Privat-Unis ist in Ungarn nicht so weit fortgeschritten. Ich bin aber sehr froh, dass die CEU jetzt in Wien ist, sie ist ein wichtiger Teil der österreichischen Privat-Unis. Vielleicht war damals nicht der richtige Zeitpunkt für die CEU in Ungarn, vielleicht kommt er noch. Man kann leicht sagen „rausgeekelt“. Doch wenn die Rahmenbedingungen nicht gut waren, dann kann man das auch so sehen.
STANDARD: Mit „rausgeekelt“ meinte ich: Ungarn hat staatliche Regeln absichtlich so zugeschnitten, damit die CEU dort keine Zukunft haben konnte. Und die Regierung hat den Uni-Financier George Soros zur Zielscheibe einer Kampagne gemacht.
Wöber: Das ist Ihre Interpretation, ich habe mich nicht so intensiv damit auseinandergesetzt. (Theo Anders, 14.8.2024)